Finisterre

Meine Nacht war super erholsam. Richtig ausschlafen gelang mir jedoch überhaupt nicht, der Pilgerrhythmus der letzten vier Wochen steckte noch in mir. Also stand ich auch an meinem ersten „freien“ Tag recht zeitig auf. Nach der erfrischenden Dusche ging es in Flip Flops, Shirt und kurzer Hose zum Frühstück. Was für eine Wohltat für meine Füße, nachdem ich sie jetzt täglich in die Wanderschuhe gezwängt hatte… Ich suchte mir wieder das kleine Restaurant am Hafen aus, wo ich gestern schon aufgeschlagen war…

Das Wetter nahm sich heute eine Auszeit, der Himmel war wolkenverhangen und es tröpfelte leicht vor sich hin. Nach den vorherigen fantastischen Wochen ließ sich das jedoch leicht verschmerzen. Wie fast jeden Morgen stand bei mir auch heute wieder der frisch gepresste Orangensaft auf dem Tisch :-). Eine Sache wollte ich nach dem Frühstück jedoch noch erledigen… Mein Weg führte mich ins Pilgerbüro im Zentrum. Alle Pilger, die bis Muxia oder Finisterre weitergingen, erhielten hier noch eine weitere Urkunde für ihre Sammlung… Ja, auch ich hatte bock darauf mir diese abzuholen! Hier musste auch niemand anstehen, wie in Santiago… Es war ein kleines süßes Büro, indem mich eine junge Dame empfing. Nachdem ich meinen voll gestempelten Pilgerpass vorlegte, erhielt ich innerhalb von fünf Minuten das gute Schriftstück. Diese wanderte sogleich mit den Urkunden aus Santiago in die Aufbewahrungsrolle.

Die Fisterra erhalten alle Pilger, die von Santiago aus noch weitergehen
In der Rolle konnte ich alle Urkunden sicher aufbewahren

Sooooo… nun waren aber wirklich alle Formalitäten erledigt. Ich fühlte mich zugegeben ab diesem Moment „frei“… Jetzt wurde es Zeit für den Frisör. Meine Haare und mein Bart hatten es sich nach einem Monat verdient, geschnitten zu werden. Manuel, der Besitzer aus dem Restaurant am Hafen gab mir einen Tipp, wo ich mich wieder straßentauglich herrichten lassen konnte. Als gefühlt neuer Mensch verließ ich den kleinen Frisiersalon.

Hombre nuevo nach dem Besuch des kleinen Frisiersalons in Finisterre

Das Wetter klarte auf und ich entschied mich spontan zum Strand auf der anderen Seite der Stadt zu gehen. Wunderschön erschien dieser nach nur 15 Gehminuten vor mir. So verlockend es schien, war es gleichzeitig brandgefährlich hier einen Fuß ins Wasser zu setzen. Warnschilder wiesen darauf hin, dass die Unterströmung hier so stark wäre, dass das Baden zurecht verboten war.

Der Schein trügt, das Baden ist hier saugefährlich und deswegen verboten

Ich zog die Flip Flops aus und ließ meine Füße den Sand spüren als ich den Strand einfach ein paar Schritte entlang ging… Für mich immer noch unvorstellbare 900km hatten mich diese bis hierher gebracht, ohne eine einzige Blase. Im nächsten Moment schrieb mir Theresia. Sie war auch auf dem Weg zum Strand. Als sie eintraf, ließen wir gemeinsam die Seele baumeln und genossen wie die rauen Wellen immer wieder auf den Strand einprasselten. In der Sonne war es dazu herrlich warm. Jeder für sich ließ die letzten Wochen einmal Revue passieren…

Nach einer Weile trieb mich der Hunger zurück in die Stadt. Theresia blieb noch am Strand. In der Stadt angekommen, erkannte ich an der Promenade am Hafen aus der Ferne den Holländer wieder, den ich in den letzten Tagen immer wieder mal getroffen hatte. Er saß zusammen mit zwei anderen Pilgern am Tisch. Wir hatten uns auch einander vorgestellt, aber mir war der Name entfallen…

Ich fragte ob ich mich dazusetzen dürfte und erhielt von allen prompt Zustimmung. Gemeinsam bestellten wir eine Runde Bier und stießen selbstverständlich auf den Camino und das Geleistete an. Auf der Speisekarte entdeckte ich eine Paella. Endlich dachte ich. Wie lange wollte ich die schon essen seitdem ich in Spanien war. Die bestellte Portion ließ mich vor Freude erstrahlen. Zwischen den Meeresfrüchten konnte ich kaum Reis entdecken:-).

Die Paella in Finisterre war ein Traum

Nach einem weiteren gemeinsamen Bier löste sich unsere Gruppe auf. Im Supermarkt an der Ecke kaufte ich noch ein paar Kleinigkeiten ein, als ich bemerkte, dass ich mich von jetzt auf gleich körperlich schlechter fühlte und sogar Schüttelfrost bekam. Mein Körper hatte mich auf der gesamten Reise nie im Stich gelassen. An jedem Tag konnte ich los und musste nie „Zwangspausieren“ oder bin wirklich krank geworden. Jetzt, da ich am Ziel war, hat er das verdammte Recht, sich zu nehmen was er braucht… Ruhe und Erholung. Ich hörte auf die Signale und ging bereits am späten Nachmittag zurück zur Pension, legte mich ins Bett und schlief bis zum nächsten Morgen durch…

Eine Antwort auf „Finisterre“

  1. Lieber Stephan,
    DANKE! Danke, das du mich ( uns) daran teilhaben lassen hast.
    Ich erinnere mich, als du zurückgekommen bist und wir alle, so gespannt waren, so neugierig und aber sehr froh, das wir dich gesund und munter wieder zu Hause haben. Es ist schön zu lesen, wieviel Menschen und der Weg, dir gut getan haben.
    Du hast die richtige Entscheidung getroffen, den Weg zu gehen und es durchgezogen!!! Darauf kannst du sehr stolz sein.

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