An diesem Morgen führte mich der erste Weg nach dem Verlassen der „Pool-Herberge“ direkt zum Geldautomaten, da ich erst in Burgos, also in knapp 50 km wieder die Möglichkeit hätte, meinen Bargeldbestand aufzufüllen. Mit der VISA Karte war dies zum Glück auch im Ausland kostenlos möglich und super bequem. Nachdem dies noch vor dem Sonnenaufgang erledigt war, machte ich mich auch direkt auf den Weg. Nach ein paar Metern fiel mir ein außergewöhnlicher Fuß- und Handabdruck am Boden auf.

Neben einigen eher spanischen Persönlichkeiten hatte sich auch Martin Sheen vor ein paar Jahren hier verewigt. Zusammen mit Emilio Estevez drehte er hier im Jahre 2010 den Film „Dein Weg“ . Als ich das Foto im Kasten hatte, ließ ich Belorado endgültig hinter mir. Nach etwas eintönigen Wanderungen durch Getreidefelder, war der breite Weg bis Tosantos links des vegetationsreichen Bachlaufs die reinste Wohltat. Die N-120 war noch gut zu vernehmen, da diese nicht weit entfernt davon ein gutes Stück parallel zum Weg verlief.
Ich kam durch ein paar kleinere Orte und stoppte nach ca. 1 ½ Stunden in einem davon. Zum Frühstück gönnte ich mir natürlich einen Café con leche, sowie ein Baguette und eine Banane. Jeden Morgen freute ich mich aufs Neue wie ein kleines Kind auf meinen ersten Kaffee! Nach der Pause verließ ich Espinosa del Camino und mich erwartete der nächste Aufstieg. Es ging in die Montes de Oca, was übersetzt soviel bedeutet wie „Berge von Gänsen“. Als ich den anspruchsvollen Aufstieg hinter mich gebracht hatte, erreichte ich auf 1155 Meter Höhe das Denkmal für die 1936 im Bürgerkrieg erschossenen Republikaner.
Die Inschrift lautet: „Nicht ihr Tod war sinnlos, sondern ihre Erschießung. Mögen sie in Frieden ruhen“.

Nach dem kurzen Innehalten am besagten Denkmal ging es weiter durch einen tiefen Taleinschnitt mit weiteren Ab- und Aufstiegen. Hinter diesen ging es auf einem breiten Forstweg weiter, bevor ich die Oasis del Camino erreichte. Ein schöner kleiner Fleck auf dem Weg, mitten im Wald. Schon aus der Entfernung erkannte ich viele bekannte Gesichter wieder. Gemeinsam machten wir hier die nächste Pause.

Es ging weiter Richtung San Juan de Ortega. An der Oase traf ich Ivan wieder und wir unterhielten uns beim Laufen diesmal länger und ausgiebiger als bei unseren vorherigen Treffen. Unser gemeinsames Thema war das Reisen. Jedoch „praktizierte“ er dies anders als ich es gewohnt war 😊. Ivan ist Travelblogger und hatte sich vor einigen Jahren entschieden seinen „9 to 5“ Job an den Nagel zu hängen, um sich ganz auf das Reisen konzentrieren zu können. Sehr aufmerksam, neugierig und ich muss zugeben auch etwas neidisch lauschte ich seinen Worten. Es war einfach mega interessant und spannend ihm zuzuhören um zu erfahren in welchen Teilen der Welt er schon war.
Ivan war in der letzten Zeit u.a. auf den Philippinen, in Brasilien und Dubai. Ich konnte seinen Worten sehr gut folgen, da er mit leichtem kroatischem Akzent ein sehr klares Englisch sprach. Wir vergaßen beim Unterhalten beinahe völlig zu Zeit. Als wir nicht mehr weit von San Juan de Ortega entfernt waren, warf ich einen Blick auf den Zettel, den ich in Saint Jean Pied de Port erhalten hatte. Auf diesem waren alle Herbergen des Weges verzeichnet. Der Zettel verriet mir, dass es in San Juan nur eine einzige Herberge gab. Da wir noch gut in der Zeit waren, entschlossen wir uns hier nur für ein kühles Bier zu stoppen.

Auf dem Weg nach Agés führten wir unsere Unterhaltung über das Reisen fort und er erzählte mir, dass er ein Apartment in Kroatien besitzt, in das er mich sehr gerne einmal einladen würde um mir seine Stadt Varaždin zu zeigen. Ich freute mich sehr und bedankte mich für sein Angebot, war aber auch gleichzeitig etwas skeptisch ob wir nach unserer Mission hier wirklich in Kontakt bleiben würden. Nach knapp 30 km erreichten wir Agés. Schnurstracks zog es uns in die Herberge Municipal. Wir waren total durchgeschwitzt und von innen ziemlich ausgetrocknet… Auch an diesem Tag war es wieder knüppelheiß und der Weg bot uns bis auf die Passage an der Oase wenig Schatten.
Obwohl der kleine Ort nur offiziell 65 Einwohner hatte, gab es hier drei Herbergen und so musste sich niemand Sorgen machen ein Bett für die Nacht zu bekommen. Glücklich angekommen zu sein, checkten wir ein und begaben uns an die üblichen Rituale. Der städtischen Herberge war ein Restaurant angeschlossen. Nach der kalten Dusche trafen wir uns alle im Außenbereich des Restaurants wieder und fanden genügend freie Plätze im Schatten. Ich nutzte die Zeit um den Tag Revue passieren zu lassen und meine Eindrücke nieder zuschreiben. Das gelang mir nur „lückenlos“, wenn ich bereits auf dem Weg Stichpunkte sammelte. Wenn ich meine Etappenziele erreichte, hatte ich das meiste schon wieder vergessen, obwohl es erst wenige Stunden her war. Über den Tag verteilt waren es einfach zu viele Eindrücke, Gespräche und Erlebnisse, die ich mir im Detail nicht merken konnte. Beim Lesen der Stichpunkte fiel mir dann zum Glück wieder alles ein!

Nachdem die „Arbeit“ erledigt war, setzte ich mich zu den anderen an den Tisch. Ivan orderte direkt ein kaltes Cerveza für uns zwei.

Gemeinsam ließen wir den Nachmittag ausklingen und tauschten unsere Erlebnisse untereinander aus. Wir verweilten die gesamte Zeit im Außenbereich des Restaurants, da das Wetter immer noch perfekt war. Als es Zeit für das Abendessen wurde, genehmigten sich fast alle ein Pilgermenü. Hier gab es Spargel mit Serrano-Schinken, sowie Eier und Kartoffeln. Zum Nachtisch ein paar Melonenscheiben. Jetzt wo ich es niederschreibe bekomme ich direkt wieder Hunger :-). Ich denke den Wein muss ich an dieser Stelle nicht mehr extra erwähnen… Wir saßen noch lange draußen zusammen, bis die Sonne verschwand und es merklich kühler wurde. Unsere Uhren verrieten uns, dass es Zeit war ins Bett zu gehen. Gute Nacht!
