Tag 12: Agés – Burgos

Zeitig wie immer ging es an diesem Morgen raus dem Bett. Ich taperte noch etwas verschlafen ohne Brille in meinen Flip Flops als erstes ins Badezimmer. Da die Herberge nur über wenige Steckdosen im Schlafraum verfügte, hatte ich mein Handy über Nacht zum Laden auf einen kleinen Sims dort gelegt. Im Badezimmer angekommen, musste ich feststellen, dass es dort nicht mehr war…

Ich schaute mich um… Da lag es, vor dem Sims auf dem Boden. Bei genauerem Hinsehen, traute ich meinen Augen kaum. Mein Telefon wurde über Nacht mit einer „Spider App“ ausgestattet… Das Display war an vielen Stellen gesprungen und hatte an einer Ecke eine richtig fette Macke. So ein Scheiß, dachte ich. Aus dem ersten Schockmoment heraus nahm ich es in die Hand und fühlte mit den Fingern über das Glas. Die Risse waren deutlich zu spüren. Ich holte es aus dem Standby und tippte auf das Display. Es reagierte und ließ sich noch bedienen! Glück im Unglück dachte ich und atmete tief durch. Sowas hatte ich auf meiner Reise nicht mit eingeplant… Mit dem Handy hatte ich doch bisher alle Fotos gemacht und plante auch meinen Rückflug darüber zu buchen. Durch das kaputte Display werde ich mir vor dem Rückflug irgendwo ein Ticket ausdrucken müssen… Aber bis dahin war noch viel Zeit.

Überraschung am frühen Morgen in Agés

Nachdem ich den nächsten Schock auf meiner Reise, ausgerechnet wieder ganz früh am Morgen überwunden hatte und mein Puls wieder Normalform erreichte, machte ich mich fertig. Mit gepacktem Rucksack ging es in den Vorraum der Herberge, wo alle Pilger ihre Schuhe über Nacht lagerten. Ich kann euch sagen, immer wieder ein Fest für den Geruchssinn 🙂

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Schuhregal im Vorraum der Herberge von Agés

Wer jetzt mit der nächsten Hiobsbotschaft rechnet, als ich das Schuhregal erreichte, dem kann ich Entwarnung geben! Meine Schuhe waren noch an ihrem Platz, genau dort wo ich sie gestern abgestellt hatte…

Warum ich das jetzt erwähne!? Nun, es ist tatsächlich vorgekommen, dass Pilger morgens ihre Schuhe vermissten, jedoch wirklich selten. Nicht weil sie jemand mit Absicht gestohlen hatte, sondern es passierte, dass man in der Früh zum falschen Paar griff, weil jemand die gleiche Marke und Farbe trug und man beim Anziehen nicht merkte, dass dieses eine Nummer zu groß war… Und wenn man es dann feststellte, war es oft so, dass man den Besitzer nicht mehr wiedersah. So musste man sich wohl oder übel bei nächster Gelegenheit ein neues Paar zulegen…

Niemand möchte in zu kleinen Schuhen weiterlaufen, schon gar nicht mit einem fremden Paar. Zum Glück war mir so etwas während meiner ganzen Reise nie passiert!

Allerdings checkte ich jetzt jeden Morgen zweimal ob meine Sachen im und am Rucksack alle vollständig waren. So etwas wie in Santo Domingo de la Calzada sollte mir unter keinen Umständen wieder passieren. Als ich den kleinen beschaulichen Ort Agés verließ, folgte direkt die erste Herausforderung des noch jungen Tages. Diesmal war es ein beschwerlicher und teils sehr steiniger gut 45-minütiger Aufstieg auf die Hochebene Matagrande in 1078m Höhe.

sehr beschwerlicher Aufstieg auf die Hochebene Matagrande

Jeder Schritt musste hier sorgfältig überlegt sein, da die teils spitzen Steine, die aus dem Boden ragten geradezu eine Einladung zum Umknicken waren. Den Aufstieg konnte ich gut und ohne Blessuren meistern. Etwas verschwitzt kam ich auf der Hochebene an. Dort oben war es am frühen Morgen noch empfindlich kühl und sehr windig. Die Sonne ging langsam am Horizont auf und das Tal wurde nun Stück für Stück mit den warmen Strahlen erwärmt. Mein heutiges Etappenziel konnte ich bereits mit bloßem Auge durch die fantastische Sicht in der Ferne schon erkennen. Burgos war ab hier allerdings noch gute 23 km von mir entfernt…

Blick von der Hochebene Matagrande auf Burgos in weiter Ferne

Beim Abstieg von der Hochebene traf ich Gerd aus Düsseldorf. Wir waren uns schon ein paarmal auf dem Camino begegnet, hatten uns aber nie wirklich unterhalten. Auf dem Weg zum ersten Stopp des Tages holten wir dies nach. So erfuhr ich unter anderem, dass er Apotheker war, 20 Angestellte hatte und nach vielen Jahren stressiger Arbeit dringend eine Auszeit benötigte. Wir unterhielten uns hauptsächlich über den Camino, aber auch die persönlichen Gründe hier zu sein. Ich erzählte Gerd von meiner familiären Situation der letzten Jahre und dass ich beinahe doch wieder zu Hause geblieben wäre, weil ich dachte, jetzt nicht weg zu können. Er konnte meine Situation sehr gut nachvollziehen.

Nach erfolgreichem Abstieg entdeckten wir am Wegesrand ein sehr schönes Café. Als wir es betraten entdeckten wir die bisher geilste Auswahl an Essen. Es gab Baguettes, Eier in allen Variationen, Würstchen und noch vieles mehr :-). Ein Fest für die Sinne, diesmal im Positiven 🙂 um ca. neun Uhr morgens. Wir ergatterten im Außenbereich des Cafés einen Platz in der Sonne, der uns etwas aufwärmte, da es immer noch sehr kalt war. 

reichhaltiges Frühstück auf dem Weg nach Burgos

Auch Ivan war mittlerweile am Café eingetroffen. Nach der Pause gingen wir gemeinsam weiter, Gerd verweilte noch länger am Café und so verabschiedeten wir uns erst einmal wieder. Ivan berichtete mir, dass ich in der letzten Nacht in unserer Herberge ziemlich laut geschnarcht hätte und eine Argentinierin an unser Stockbett kam um dies „abzustellen“. Sie vermutete erst, dass Ivan der Schuldige wäre. Er lachte beim Erzählen der Geschichte und meinte sie hätte so fest gerüttelt, dass das ganze Bett gewackelt hätte. Erst dadurch sei er wach geworden. Ich hatte von alledem nichts mitbekommen und konnte kaum glauben was er mir da erzählte. So fest schlief ich doch sonst nie! Es war mir ein bisschen peinlich, aber ich musste dennoch darüber lachen…

Bei nächster Gelegenheit wollten wir zwei ein Bier zusammen trinken. Jedoch fanden wir bis Burgos tatsächlich keine weitere Möglichkeit dazu, oder hatten es beim Quatschen einfach übersehen :-). So kamen wir knappe 23 km später in Burgos an. Auf dem Weg erfuhr ich von seinen weiteren Reisezielen und Erfahrungen die er im Ausland gesammelt hatte. Als wir an der Herberge ankamen, trafen wir auf eine lange Schlange von Pilgern, die bereits auf Einlass warteten.

Warten auf den Einlass in der Herberge in Burgos

Eine gute halbe Stunde verging, bevor auch ich meinen Schlafplatz beziehen konnte. Die Herberge war super modern und verfügte über nagelneue Sanitärbereiche. Es war erst 13 Uhr und so machte ich mich schnell fertig, um in die Stadt zu kommen. Burgos war sehr sehenswert und empfing seine Besucher mit tollen Gebäuden und einer schönen Altstadt. Nach dem recht kalten Morgen war es jetzt wieder knalle heiß. Am Himmel war keine Wolke zu erkennen und das Thermometer zeigte knapp über 30 Grad an. Ich ging zum nächsten Supermarkt und besorgte mir erstmal etwas kaltes zu trinken. Mit der Flasche in der Hand schlenderte ich in Flip Flops und kurzen Sachen durch die Gassen der Stadt.

Das Wahrzeichen der Stadt, die Catedral de Santa Maria

Ein gezieltes Sightseeing stand jedoch nicht auf meinem Plan. Ich wollte mir einfach ganz entspannt einen ersten Eindruck von Burgos verschaffen und die Stadt auf mich wirken lassen. Als ich nach einiger Zeit wieder am Platz vor der Kathedrale ankam, lief mir Gerd in die Arme. Auch er war heute bis Burgos gekommen. Wir kauften für den nächsten Tag noch ein paar Kleinigkeiten im Supermarkt ein und entdeckten kurze Zeit später in einem Restaurant Nahe des Plaza Rey San Fernando eine schöne Sitzgelegenheit im Außenbereich.

Auch hier gab es das traditionelle Pilgermenü. Leider nicht wie auf der Karte angegeben mit Paella. Diese war zu meinem Pech an diesem Tag ausverkauft. Dabei hatte mich beim Lesen der Karte doch schon so darauf gefreut endlich mal wieder eine Paella in Spanien essen zu können, wo ich schon mal da war. Aber daraus wurde leider nichts… Es gab alternativ Spaghetti Bolognese oder ein Hähnchen mit Pommes. Selbstredend zur Begleitung mit einem guten Rotwein. Ich wählte das Hähnchen. Wir bestellten unser Essen, genossen die Atmosphäre und beobachteten das Treiben auf und neben dem Platz. Burgos war bis jetzt die größte Stadt in der wir halt machten. Um uns herum gab es viel zu sehen und zu entdecken…

JGA in Burgos auf dem Jakobsweg

Bitte entschuldigt die Wackler bei der Kameraführung, aber die Musik animierte mich einfach zum Mitmachen :-).

Nach dem tollen Essen entschloss Gerd sich zeitig in sein gebuchtes Hostel zurückzuziehen. Er war ziemlich platt von der heutigen Etappe. Ich blieb noch etwas sitzen und ließ die Atmosphäre auf mich wirken bis es dunkel wurde. Machte mich dann aber auch auf den Weg zurück zur Herberge. Der Blick in den Reiseführer verriet mir, dass es auch die morgige Etappe in sich haben wird. Also war es Zeit ins Bett zu verschwinden, um morgen ausgeruht starten zu können. Bereits um kurz nach neun Uhr schlief ich ein.

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