Beim Betrachten der heutigen Etappe im Wanderführer sah ich, dass zwei Optionen zur Wahl standen. Der lange Weg erstreckte sich über stolze 37 km. Die einfache Variante hatte dagegen noch nicht einmal 20 km. Wofür ich mich entschieden hatte dürfte jedem klar sein… Da es immer noch durch die Meseta gehen würde, versprachen beide Etappen nicht sonderlich abwechslungsreich und eine enorme mentale Herausforderung zu werden. Jedoch sollte laut Wanderführer die Längere, auch die schönere Variante zu werden… Naja, ich konnte gespannt sein:-). Bereits um kurz nach sechs Uhr verließ ich die Herberge. Wieder einmal ging es im Dunkeln und nur mit Handylicht auf die ersten Kilometer des Weges.
Die Temperatur war zum Laufen herrlich angenehm. Links und rechts des Weges hörte ich immer etwas Rascheln in den Büschen, sobald ich mich diesen näherte… Der Weg verlief schnurgerade nach Villovieco. Als ich den kleinen beschaulichen Ort, der um 7 Uhr morgens noch sehr verschlafen war, wieder verließ, ging es an einem Bach und einer Straße weiter ziemlich geradeaus bis zur Ermita de la Virgen. Gegen kurz nach acht erstrahlte die Sonne so langsam am Horizont und erhellte den jungen Tag. Meinen ersten Kaffee trank ich heute in Villacázar de Sirga. Ich nutzte die Gelegenheit um mal kurz aus den Schuhen zu schlüpfen… Hatte ich schon erwähnt, dass der Weg immer noch sehr eintönig war?? Es ging weiter auf ein schier endloses Stück entlang der Straße, bis ich gegen 11 Uhr Carrión de los Condes erreichte.

Noch heute kann ich mich gut an diesen Moment erinnern. Es war wieder ein sehr heißer Tag geworden. Meine Uhr zeigte mir an, dass ich bereits 20 km hinter mir gelassen hatte. Und doch wollte ich meine Etappe nicht so früh enden lassen. Ich entschied mich für eine Pause in einem kleinen Park nahe der Straße. Es hieß Füße hoch legen und das Treiben um mich herum beobachten. Eine knappe halbe Stunde später packte es mich und ich traute mir zu die noch vor mir liegende anstrengende Etappe anzugehen. Es ging weiter durch die Meseta, auf unendlich langen Wegen und entlang an kargen Getreidefeldern.

Meine mentale Stärke wurde heute wieder sehr gefordert, sodass ich beschloss mir die Kopfhörer ins Ohr zu stecken um einige meiner Lieblingssongs zu hören. Die monotone, baumlose Landschaft und der immer noch schnurgerade Weg machten mir sehr zu schaffen. Die Zeit verging so etwas schneller, aber das Bild änderte sich einfach nicht. Zum tristen Weg kam die Mittagshitze hinzu. Ich schwitzte unter meinem Sonnenhut und das zog regelmäßig Fliegen an, die in und um mein Gesicht herum schwirrten…
Nach fast zwei Stunden erschien dann doch noch eine kleine Oase am Wegesrand, die nur in den Sommermonaten geöffnet hatte. Dieser Stop kam mir jetzt mehr als gelegen. Ich bog direkt rechts ab und konnte meine Energie mit etwas Obst und einem frisch gepressten Orangensaft wieder auftanken.

Weiter ging es in der Einöde. Die Kulisse um mich herum änderte sich weiterhin nicht, einfach der Wahnsinn. Diese endlosen Weiten ohne ein Ziel am Horizont erblicken zu können. So, genug gejammert…
Endlich erreichte ich mein Tagesziel, Calzadilla de la Cueza. 37 km hatte ich heute hinter mir gelassen. Auf dem letzten Stück so gut wie keinen Pilger mehr überholt oder gesehen. Die letzten 17 km waren in der Mittagshitze zugegeben die pure Qual.

Ich ging schnurstracks auf eine der zwei Herbergen im Ort zu. Mehr hatte der 50 Seelen Ort auch nicht… Ihr könnt euch nicht vorstellen wie geil der Anblick war, als der Kellner in der Bar der Herberge um seine Theke ging und in die Kühltruhe griff um von dort einen eiskalten Maßkrug heraus zu holen, welchen er dann unter den Zapfhahn hielt. Ein Leuchten war in meinen Augen zu erkennen… Nach dem ersten Schluck waren die Schmerzen und die Anstrengungen des Tages mit einem Mal vergessen… Der kleine Ort war ziemlich Trist, sodass ich mich einfach den Nachmittag über entspannte und erholte. Etwas später lernte ich im Supermarkt dann doch noch zwei Pilgerinnen kennen. Mit Monika und Andrea aus Rumänien wechselte ich ein paar Worte auf englisch. Ich ging zurück in den Außenbereich der Bar und genoss den Sonnenuntergang bevor es mich ins Bett zog.