Tag 16: Calzadilla de la Cueza – Sahagún

Hier geht´s lang…

Kaum hatte ich die Herberge an diesem Morgen verlassen, wurde mir auch schon die Richtung mit unzähligen Steinen vorgegeben:-). Meine Nacht war leider nicht so erholsam, da es im Schlafsaal sehr stickig war und ich gegen zwei Uhr wach wurde und es auch erstmal blieb. Ich daddelte eine ganze Zeit lang auf meinem Handy rum bis ich wieder müde und mich umdrehte. Trotzdem wurde ich gegen kurz nach sechs wach, fühlte mich nicht sonderlich ausgeschlafen, zog aber dennoch los. Mit dem Handylicht war es mir möglich den Weg einigermaßen gut zu erkennen. Daran hatte ich bei meiner Vorbereitung auf den Camino nur bedingt gedacht. Mir kam eine Hand- oder Stirnlampe aber auch zu viel vor und ich wollte Gewicht sparen:-). Trotz der Dunkelheit kam ich sehr gut voran. Es wurde langsam hell und nach ca. zwei Stunden war es Zeit für den ersten Stop und einen Kaffee.

Auf dem Weg nach Terradillos de los Templarios

Kurz vor der Pause drehte ich mich nochmal um und konnte so hinter mir den wunderschönen Sonnenaufgang genießen. Als ich mich wieder auf den Weg machte, bemerkte ich, dass zwei Pilger hinter mir waren, die selbst auf der Straße ihre Gehstöcke benutzten. Leider jedoch ohne den nötigen Gummipfropfen, sodass man das tak tak auf dem Asphalt auch aus weiterer Entfernung noch deutlich vernehmen konnte. Wie nervig, dachte ich und erhöhte mein Tempo um den beiden zu enteilen. Ein Geräusch welches mir auf dem Weg noch öfter begegnen sollte. Ca. zwei Stunden später erreichte ich Terradillos de los Templarios. Ein Ort in dem es eine Herberge gab, die zu Ehren des letzten Großmeisters des Ordens Jaques de Molag errichtet wurde, der 1314 verstarb.

Ich ging weiter und erreichte Moratinos. Auffällig in dem Dorf waren zweifelsohne die Vorratsspeicher, die vor langer Zeit hier errichtet wurden, da diese Aussahen als würden dort die Hobbits leben. Hinweisschilder machten deutlich darauf aufmerksam, dass dies nicht der Fall ist:-)

Hier wohnen nicht die Hobbits

Noch kurz bevor ich in Moratinos ankam, überholten mich seit langem wieder andere Pilger. Es waren zwei Deutsche, Jörg aus Düsseldorf und Katrin aus Augsburg. Wir machten uns bekannt und wie es der Teufel so wollte, kannte Jörg auch Gerd bereits. Jörg war Tage zuvor mit zwei anderen Pilgern die wahnsinnige Strecke von 50 km gelaufen. Er berichtete uns von dem Tag und ich konnte es kaum glauben. Katrin und Jörg stoppten in Moratinos. Mich zog es noch etwas weiter bis nach San Nicolas del Real Camino, wo ich mir ein sehr leckeres Frühstück gönnte.

Café con Leche, Zumo de Naranja y Bocadillo de Chorizo zum Frühstück

Als ich da so in einem Café nahe der Kirche saß, dachte ich darüber nach welch tolle Pilger ich bis jetzt kennen lernen durfte und welche Gründe sie bewegten auf den Jakobsweg zu gehen. Gerade die Jüngeren unter ihnen wollten nach ihrem Abschluss an Uni oder Hochschule herausfinden, was sie im Leben einmal machen wollten und nutzten dafür jetzt ihre freie Zeit. Andere wiederum hatten Phasen in ihrem in denen sie merkten, dass sie eine Auszeit benötigten um Abstand von gewissen Dingen zu bekommen oder über ihre jetzige Situation nachdenken zu können. Bisher wirkte jeder mit dem ich sprach sehr selbst reflektiert, hinterfragte sich und sein Leben an diesem Punkt.

Ich setzte meine Wanderung fort und kam zur Ermita de la Virgen del Puente wo ich nochmal eine kurze Pause einlegte. Dreißig Minuten später erreichte ich Sahagún, mein heutiges Tagesziel. Meine ausgewählte Herberge wirkte von innen sehr urig und rustikal. Ich war einer der ersten Pilger hier am heutigen Tag.

„Alleinbezug“ in Sahagún ohne weitere Pilger in dem Abteil

Die Stadt lud zu einem kleinen Bummel ein, es war erst halb eins. Die Etappe erstreckte sich heute über 22,4 km. Ich freute mich, so früh schon mein Ziel erreicht zu haben und hatte noch den ganzen Nachmittag zur Verfügung. Ein tolles Gefühl. Beim Schlendern durch die Gassen entdeckte ich den zentralen Platz der kleinen Stadt und fand draußen einen schönen Sitzplatz in einem Restaurant an der Ecke. Ich bestellte mir ein Bier und erhielt eine köstliche kleine Tapa dazu. Da es jetzt kurz nach Mittag war, waren alle Geschäfte geschlossen und ich verfolgte das Treiben auf dem kleinen Platz. Spielende Kinder mit ihren Eltern säumten den Platz, die etwas Größeren fuhren Rad oder Skateboard.

Bier und Tapas. Eine leckere kleine Kombination

Am späten Nachmittag öffnete der Supermarkt wieder, sodass ich mich mit Getränken für den Folgetag eindecken konnte. Noch zu Anfang meines Weges hatte ich immer das Brunnenwasser getrunken. Da dieses jedoch nicht dem Qualitätsstandard in Deutschland entsprach und ich mit jedem Tag auch mehr Respekt vor einer möglichen Magenverstimmung bekam, entschloss ich mich zu einer Kombination aus Sports Aquarius und Mineralwasser. Damit startete ich an jedem neuen Morgen. Nachdem der Einkauf erledigt war, ging ich nochmal zurück zum Platz, es war jetzt gegen 18 Uhr. Die Kinder spielten noch und in einer Ecke konnte ich beobachten wie ein junger Mann sich um seine im Rollstuhl sitzende Mutter (nehme ich an) liebevoll kümmerte.

Es waren rührende Gesten und Berührungen. In diesem Moment musste ich an Papa denken und war dankbar dafür, was uns evtl. erspart geblieben war. Jemanden zu pflegen ist nun mal eine große Herausforderung und dauerhafte Belastung. Die Situation bedrückte mich. Ich zahlte meine Rechnung und verließ den Platz in Richtung meiner Herberge. Auf der Terrasse der Herberge telefonierte ich an diesem Abend noch mit einem guten Freund in Deutschland und trank dazu ein Glas Wein. Nachdem die Sonne untergegangen war, zog es mich auf mein „Einzelzimmer“.

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