Durch die nötige Bettschwere schliefen wir alle wie Steine. Die erste Etappe hatte es wahrlich in sich. In der Nacht hatte es geregnet und in den Morgenstunden war der Himmel ziemlich wolkenverhangen. Zwischen den Tannen hang der Nebel und es nieselte leicht vor sich hin. Um 07:30 Uhr verließen Louise, Janaja, Chris und ich gemeinsam den Campingplatz. Zum Wandern war das Wetter durch die hohe Luftfeuchtigkeit ideal. Lediglich unsere Rucksäcke statteten wir mit dem entsprechenden Regenschutz aus. Nach den ersten km durch Wälder und Felder beschlossen wir uns einen Café con leche zu gönnen und eine Kleinigkeit zu essen. Ich gönnte mir an diesem Morgen ein Baguette. Bei diesem kurzen Stopp trudelten auch Julius aus Berlin und Ivan aus Kroatien ein, die wir bereits am ersten Tag kennengelernt hatten, ich zu diesem Zeitpunkt nur vergessen hatte zu erwähnen. Unsere Gruppe wurde also größer.
Es ging weiter, oft auch an einigen Straßenabschnitten entlang. Dem Auge wurde an diesem Tag nicht sehr viel Abwechslung geboten und so erreichten wir, nach einem weiteren kleinen Stopp Zubiri. Unsere zurückgelegte Strecke betrug an dem Tag „nur“ 18,5 km. Es war erst kurz nach 13 Uhr. Nach der gestrigen anstrengenden Bergetappe und der Ungewissheit für heute wieder kein Bett im Zielort zu bekommen, sollte es für Tag 2 einfach gut sein. Uns fehlte hier einfach noch Erfahrung und Routine um Einschätzen zu können wann wir am Besten unser Tagesziel erreichen. Hinzu kam, dass ich mich in unserer kleinen Gruppe sehr wohl fühlte und diese nicht schon wieder verlassen wollte. Da alle anderen, bis auf Janaja, beschlossen in Zubiri zu bleiben. Uns zog es gemeinsam in die Albergue Municipal, der allgemeinen Herberge im Ort. Nach dem „Einchecken“ war es Zeit, das Bett zu beziehen. In jeder Herberge erhielten die Pilger einen Einmalbezug für Bett und Kissen für ihre Übernachtung. Nach einer erfrischenden Dusche freuten sich vor allem die geschundenen Füße über eine ordentliche Portion Hirschtalgcreme :-). Meiner Meinung nach unabdingbar auf dem Camino.

Nachdem alle mit ihren persönlichen Erledigungen fertig waren, konnten wir zusammen los um uns für das Abendessen einzudecken. Im Ort fanden wir einen kleinen, beschaulichen Supermarkt, in dem wir uns mit Nudeln, Sauce Bolognese und Salami versorgten. Da es früher Nachmittag war, ging es nach dem Einkauf nicht direkt zurück zur Herberge, sondern an den schönen Fluss, den wir bei der Ankunft in Zubiri entdeckt hatten.
Jeder deckte sich beim Einkauf noch mit der ein oder anderen Dose Bier ein, sodass wir den Nachmittag, als wir am Fluss ankamen, gemütlich ausklingen lassen konnten. Vor Ort trafen wir einen weiteren Pilger, Michel aus Polen. Er war ebenfalls von SJPDP gestartet und so hatten wir die Möglichkeit uns über die bisherigen Erfahrungen des Weges auszutauschen. Wir waren uns einig darüber, dass uns die Pyrenäen mehr abverlangt hatten als wir beide es dachten. Nicht nur der Aufstieg, auch der steile Abstieg hatte es in sich. Michel war bis jetzt allein unterwegs und plante den Camino auch allein weiterzugehen. Da es in der Sonne noch richtig warm war, kühlten wir unsere Füße im kalten Wasser des Flusses ab.

Da so eine Truppe nicht lange unbemerkt blieb, gesellten sich etwas später noch zwei Frauen aus Schweden dazu, die am Fluss entlang gingen. Gemeinsam wurde es ein sehr unterhaltsamer Nachmittag. Als die Dämmerung einsetzte, wurde es jedoch Zeit zur Herberge zurück zu kehren. Wir hatten alle Hunger. Julius, der privat gerne kocht, schnappte sich beim Eintreffen an der Herberge direkt die Zutaten für unser Abendessen. Der Rest der Gruppe verbrachte zusammen mit den anderen Pilgern, die hier eingekehrt waren die Zeit im Innenhof und verzehrten so noch das ein oder andere Getränk. Was jedoch nur möglich war, da Ivan unseren Vorrat wieder aufgefüllt hatte, nachdem er fast unbemerkt zwischenzeitlich beim Supermarkt war.
Der Koch hatte ganze Arbeit geleistet. Gemeinsam saßen wir draußen an einem langen Holztisch und gönnten uns die Nudeln. Wir hatten alle einfach tierischen Hunger. Plötzlich und wie aus dem Nichts brach ein Gewitterschauer über uns herein. Zack und vorbei war es mit der Gemütlichkeit. Jeder rettete sein Essen und seine Sachen unter das Vordach der Herberge. Eine gute Stunde später beruhigte sich das Wetter und auch die Sonne zeigte sich wieder. Nun blieb noch genug Zeit um die eigenen Sachen wieder trocken zu bekommen, um am nächsten Morgen bestens vorbereitet starten zu können. Niemand will mit nassen Klamotten loslaufen müssen, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt. Die Socken würden in den Schuhen nur zwangsläufig zu Blasen führen. Derartige Schmerzen beim Laufen wären einfach unerträglich. Der Wandertag würde zur Tortur. Ohne Blasenpflaster ginge dann so gut wie nichts mehr. Vielleicht auch ein Grund warum es auf dem Weg in regelmäßigen Abständen Versorgungsautomaten gibt, die nicht nur Getränke und Snacks bereithielten, sondern eben auch Pflaster oder ähnliches.

In unserer Herberge waren zum Glück Waschmaschine und Trockner vorhanden, was nicht in jeder Unterkunft der Fall ist. Oftmals musste man sich auch mit einer einfachen Handwäsche zufrieden geben. Ehrlich gesagt, reichte das an den meisten Tagen auch völlig aus. Wir legten unsere Klamotten zusammen und warfen die erste Maschine an. Neben Waschen und Trocknen klang der Abend so bei dem ein oder anderen Getränk und guten Gesprächen im Innenhof der Herberge aus, bevor jeder nach und nach in sein Bett verschwand.
Lebendig und erfrischend geschrieben, steht Hape Kerkeling in nichts nach!
Freue mich schon auf die nächste Etappe!