Tag 23: Cacabellos – La Faba

Der erste Gedanke der mir an diesem Morgen nach dem Aufstehen in den Kopf schoss war, dass ich verdammt lange nicht mehr so gut geschlafen hatte… Niemand der über oder unter mir im Stockbett lag, sich nachts gedreht hatte oder aufstehen musste um dann das ganze Bett ins Wanken zu bringen:-) auch im Nachhinein betrachtet, ein herrliches Gefühl!

Da ich vor meinem Wecker wach war, machte ich mich leise fertig und zog schon um kurz vor sechs Uhr los. Die Frauen schliefen noch. Es ging erstmal größtenteils an der Landstraße entlang raus aus der Stadt, durch einige kleine Orte. Nach knapp zwei Stunden erreichte ich Villafranca del Bierzo. Der richtige Moment für einen ersten Stopp und einen heißen Kaffee dachte ich. „Klein-Compostela“ nannten die mittelalterlichen Pilger die Stadt, da Kranke und Schwache, die die Wallfahrt über den hohen Cebreiropass bis in die Apostelstadt nicht fortsetzen konnten, auf den Stufen der Puerta del Perdón (Gnadenpforte) der Iglesia de Santiago den gleichen Ablass wie am Apostelgrab erhielten…

Schönes Fundstück am Wegesrand auf dem Weg nach Villafranca

Als ich weiterging, traf ich auf Simone aus Freiburg. Wir standen fast zeitgleich an einer Gabelung und suchten den richtigen Weg raus aus der Stadt. Wir kamen ins Gespräch und tauschten uns aus. Im Reiseführer wurden ab hier wieder zwei mögliche Routen vorgeschlagen. Einer führte an der Straße entlang. Der Zweite sogenannte „camino duro“ (harter Weg) führte sehr steil bergauf. Nach kurzem Zögern entschieden wir uns beide für den camino duro, welcher unmittelbar nach Villafranca del Bierzo begann. Der Weg an der Straße wirkte auf uns beide wenig reizvoll, auch wenn dieser bestimmt wesentlich leichter zu gehen wäre. So ging es für uns in den ersten 20 Minuten des Weges steil bergauf… Die Beschreibung passte wie die Faust aufs Auge… Es war gelinde gesagt einfach heftig… Mein Puls schoss in die Höhe und das Sprechen fiel mir nach den ersten Minuten auch echt schwer 🙂 So kamen wir in den frühen Morgenstunden ordentlich ins Schwitzen… Simone gab mir kurz darauf zu verstehen, dass sie etwas langsamer machen müsste… Ich verabschiedete mich von ihr und ging den Anstieg allein weiter nach oben. War er anfangs noch asphaltiert, so säumten kurze Zeit später größere Steine oder sogar Felsbrocken den Weg.

Ich dachte daran wie beschwerlich und rutschig dieser Part bei Regen wohl war. Mein Glück, dass sich wieder ein herrlicher Sonnentag anbahnte. Als ich oben ankam, wurde ich zudem mit einer fantastischen Aussicht auf das hinter mir im Tal liegende Villafranca del Bierzo für den anstrengenden Aufstieg belohnt. Einfach fantastisch! Ich gönnte mir eine kurze Erholungspause und genoss den Rundumblick…

Nach dem Aufstieg der Blick zurück auf Villafranca des Bierzo

Ab hier ging es noch etwas weiter bergauf, bevor ich dann den höchsten Punkt auf 923 Metern erreichte. Leicht bergab kam ich kurz darauf in einen wunderschönen Wald mit mächtigen Edelkastanien, genauso wie es im Reiseführer beschrieben war. Wie geil ist das denn dachte ich, so schööön. Es hatte sich wieder mal gelohnt den schweren Part zu wählen. Die Anstrengung von vorhin hatte ich längst vergessen… Und dann diese Ruhe hier oben… Die Straße, die unterhalb des Berges verlief, konnte ich zwar sehen, aber kein Geräusch drang bis hier hin durch…

Nach diesem Genuss und der Belohnung (es fühlte sich für mich jedenfalls so an), wartete allerdings auch direkt wieder die nächste Herausforderung… der Abstieg nach Trabadelo. Es ging über 400 Meter bergab… Hinzu kam, dass ich seit einiger Zeit einen brennenden Schmerz am rechten Schienbein verspürte. Fühlte sich wie eine Überreizung der Sehne an. Kein Wunder bei den unzähligen Auf- und Abstiegen die ich bis hierhin schon hinter mir hatte… Diese machten sich jetzt anscheinend bemerkbar… Ziemlich unangenehm. Ich versuchte den Schmerz so gut es ging auszublenden und mich nicht zu sehr darauf zu konzentrieren. In Trabadelo angekommen, war es Zeit für eine Pause. Ich zog die Schuhe und Socken aus um meine Füße hoch zu legen… Eine Tortilla und ein kühles Bier in einem kleinen Café dienten mir als zweites Frühstück. Ich war jetzt bereits 5 ½ Stunden unterwegs.

links nach Santiago und rechts zum Café

Es ging weiter Richtung Ambasmestas. Bea und Theresia waren hier in einer kleinen deutschen Herberge an einem Fluss untergekommen. „Das Animas“ hieß sie.

Ich traf die beiden dort, warf einen Blick hinein und unterhielt mich eine Zeit lang mit dem Besitzer, der mir spontan ein Estrella Damm auf den Tisch stellte. Nach einer kurzen Erholungspause zog es mich jedoch weiter… Ich kann euch nicht beschreiben warum, aber trotz der Anstrengung und der Schmerzen die ich hatte, war es so, dass der Weg manchmal wie ein Magnet auf mich wirkte und ich eben weitergehen „musste“. Wie schon anfangs gesagt, ich hatte keine Eile, zu keiner Zeit. So startete ich nach der kleinen Erholungspause wieder. Die Uhr zeigte kurz nach eins, als ich mich auf den Weg begab. Es war heute nicht so heiß wie an den Tagen zuvor. Aber durch das heutige Pensum spürte ich jedoch wieder die Schmerzen unter meinen Füßen. Entlang an ganz kleinen Ortschaften und vorbei an Kuhwiesen kam mir plötzlich der Gedanke, bis La Faba zu gehen. Was bedeuten würde, dass ab hier liegen noch gut 10 km vor mir lagen…

Inspiration am Wegesrand auf dem Weg nach La Faba
links der Fußweg nach La Faba, rechts würde es für die Fahrradfahrer weitergehen

Der Weg zweigte nun von der Straße aus nach links in ein Waldstück ab. Es ging eine ganze Weile entspannt gerade aus, bevor es erneut bergauf ging. Es ging wieder verdammt steil nach oben. La Faba lag auf 915 m über NN. Über große Steine und eine Menge Geröll benötigte ich eine gute Stunde bis ich endlich die Iglesia de San Andrés erblickte. Ziemlich durchgeschwitzt (zum zweiten Mal an diesem Tag), meisterte ich auch die letzten Schritte. Wieder musste ich daran denken, welch eine Schlitterpartie dieser Weg bei Regen oder gar Schnee sein muss… Oder um es im feinsten Ruhrpott Dialekt zu sagen… „ich würde mich permanent auf die Fresse legen“.

Als ich oben ankam, dachte ich als erstes an eine kalte Dusche und dass ich schnellstens aus meinen durchgeschwitzten Klamotten raus muss. In La Faba gab es zwei Herbergen. Die erste war bei meinem Eintreffen gegen 16 Uhr leider bereits voll. Scheisse, daran hatte ich vorher einfach nicht gedacht. Es war halt schon sehr spät für Pilgerverhältnisse… Der Gedanke weiterzugehen zu müssen war unvorstellbar, sollte die zweite Herberge ebenfalls komplett belegt sein. Die Etappe bis hierher hatte mich total geschafft .

Wieder war mir das Glück hold… es gab in der anderen Unterkunft noch ausreichend freie Betten. Als ich darauf zulief wurde ich bereits aus der Ferne sehr freundlich und herzlich von Ilona und Roland begrüßt. Die beiden waren ursprünglich aus Dortmund und arbeiteten jedes Jahr ehrenamtlich für drei Wochen in der Herberge. Nach dem Einchecken und einem kurzen Plausch zeigte mir Ilona meinen Schlafplatz und erklärte mir kurz wo ich alles Nötige finden würde. Nach der längst fälligen Dusche ging ich zurück in das kleine Zentrum und suchte die nächste Bar auf. Ich hatte Hunger, einfach nur Hunger… na gut und natürlich auch etwas Durst 🙂

Gerösteter Toast und ein sehr leckerer Salat… dazu ein kühles Weizen

Ich wurde nicht enttäuscht und bekam sogar noch einen Platz in der Sonne. Nach dem Trip schmeckten mir das Essen und das kühle Weizenbier gleich doppelt gut. So gefühlt am Arsch der Heide auf über 900 Metern in einem 30 Seelen Dorf. Einfach nur glücklich hier zu sein und die Etappe gemeistert zu haben, genoss ich den restlichen Nachmittag hier… als mir plötzlich einfiel, dass „soviel“ Nachmittag gar nicht mehr übrig war, es schon früher Abend war und ich doch noch zu dem einzigen Supermarkt musste, damit ich für morgen versorgt bin. Laut Buch würde da nämlich erstmal kein Ort kommen, in dem ich etwas einkaufen könnte…

Als auch das erledigt war, ging es dann auch direkt zurück. So war ich schon um acht Uhr in der Herberge und hundemüde. Im Bett liegend schrieb ich noch ein paar WhatsApp Nachrichten und schlief kurz darauf ein.

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