Tag 5: Puenta de la Reina – Estella-Lizarra

Auch an Tag 5 ging es wieder um die gewohnt frühe Zeit los. Im Vorraum der Herberge traf ich viele aus unserer Gruppe wieder (Louise, Julius, Ivan und Chris). Alle waren dabei sich startklar zu machen. Schuhe schnüren, Rucksack auf und los. Ich entschloss mich jedoch heute allein zu starten. Es fühlte sich irgendwie richtig an nicht mit der Gruppe zu gehen, obwohl mir alle in den letzten Tagen ziemlich ans Herz gewachsen waren. Wir hatten unsere Nummern getauscht und so verließ ich die Herberge. Ich kann es nur so beschreiben, dass mich der Camino wie ein Magnet anzog und er allein entdeckt werden wollte, oder mit weiteren Weggefährten. Nach einigen Kilometern sah ich die Sonne am Horizont langsam aufgehen als mich der Weg ein Stück an der Autobahn entlang führte.

Sonnenaufgang entlang der Autobahn

Etwas später säumten dann Weinberge und Olivenbäume den Weg. Es ging bisher nur leicht bergauf und bergab und es war kein Vergleich zu den ersten Etappen. Gerade als ich das laut gedacht hatte, wartete jedoch die erste Herausforderung des Tages auf mich. Es ging über eine alte Römerstraße kurz hinter Cirauqui.

Volle Aufmerksamkeit und festes Schuhwerk um nicht umzuknicken

Nachdem ich diesen Part gemeistert hatte, schoss mir der Gedanke in den Kopf, dass ich jetzt nach den ersten Etappen schon nicht mehr wusste, welchen Wochentag wir haben. Verrückt, dachte ich und gleichzeitig ein befreiendes Gefühl. Als Pilger verlief im Grunde jeder Tag gleich und es spielte überhaupt keine Rolle ob Montag oder Sonntag war, das wurde mir jetzt bewusst. Hinzu kam, dass ich mein Social Media (Facebook und WhatsApp) seit Beginn des Weges von meinem Smartphone verbannt und deinstalliert hatte. So wurde ich nicht von Messages hier und da abgelenkt und nur angerufen, wenn es wirklich etwas Wichtiges gäbe.

Hinter dieser Römerstraße erschien eine Anhöhe, auf der es wieder ein paar Erfrischungen (Obst und Kaffee) gegen eine kleine Spende für die Pilger gab. Ich hatte auf dem bisherigen Weg immer das Gefühl, an jeder Stelle des Weges versorgt zu sein, auch wenn man am Morgen einmal nicht ausreichend Proviant mitgenommen hatte. Lorca, nach ca. 14 km, war mein erster Stopp an diesem Tag. Die Tortilla mit Kartoffeln und Gemüse, der Café con leche und der so unfassbar leckere frisch gepresste Orangensaft waren nach knapp 3 ½ Stunden ein Hochgenuss. Jeden Tag aufs Neue konnte ich mich so nach den ersten zwei oder drei Stunden des Wanderns belohnen und freute mich immer schon am Morgen auf diesen ersten Stopp.

Mein Appetit ließ jedoch generell nach den wenigen Tagen tagsüber schon deutlich nach, obwohl ich mich ja durch den Weg immensen und nicht gewohnten Belastungen aussetzte. Mein Wunderwerk Körper stellte sich wahnsinnig schnell auf die veränderten Bedingungen ein und passte sich an. Leichte Mahlzeiten und auf genug Flüssigkeit achten waren das Gebot. Ich merkte auch, dass ich mich jetzt, nach den ersten paar Tagen viel seltener mit anderen Pilgern beim Wandern unterhielt als noch zu Beginn des Caminos.

Dezenter Hinweis auf die noch vor mir liegende Strecke

Ich wollte einfach nur wandern, den Weg erkunden und die Situation genießen wie sie gerade war. Möglich, dass mir dadurch gerade interessante Gesprächspartner aus allen Ecken der Welt entgangen waren, aber ich wollte jetzt lieber bei mir sein. Meine Gedanken waren ganz bei mir und dem Weg. Es war erstaunlich, mit meinen täglichen Aufgaben, morgens an alle meine Sachen zu denken, die in den Rucksack mussten, den gelben Pfeilen oder Hinweisen am Weg folgen und einen Platz für die Nacht zu finden, war ich total beschäftigt und ausgelastet. Kein Gedanke an zu Hause und den Problemen oder Schwierigkeiten die mich sonst begleiteten.

Die Strecke war heute nicht besonders lang (21,8 km), aber ich spürte meine Füße wieder deutlich. Gut möglich, dass es an den schweren Bergschuhen lag mit denen ich täglich unterwegs war. So beschloss ich, diese ab dem nächsten Tag zu wechseln und gegen meine Sneaker zu tauschen. Estella-Lizarra war erreicht. Nach dem Zimmerbezug und Duschen traf ich Julius und Janaja wieder. Die beiden hatten auf dem Weg noch zwei Franzosen kennengelernt. Wir zogen gemeinsam los in die Stadt. Ganz in der Nähe sollte es einen Salzwasserbrunnen geben, den wir suchten und auch fanden. Wir blieben eine Weile dort, ehe es uns in den angrenzenden Park zog, nicht zuletzt durch die Musik die von weitem hörbar war.

Ich ging zur Bar und besorgte uns ein paar kalte Biere. Wir suchten uns ein schattiges Plätzchen um Karten zu spielen. Die beiden Franzosen erklärten uns das Spiel, welches sie zu Hause so gerne spielten. So verging die Zeit sehr schnell und wir mussten uns bald wieder auf den Weg machen wenn wir etwas zu Abend essen wollten. Julius, Janaja und ich entschieden uns für die Bar gegenüber unserer Herberge. Als wir gerade im Außenbereich Platz genommen hatten, setzte ein heftiger Platzregen ein. Durch das Zeltdach geschützt, genossen wir den Anblick auf den nahe liegenden Fluss und den prasselnden Regen. Nach dem Essen ließen wir den Abend in der Herberge ausklingen bevor es für alle ins Bett ging.  

Geschützt unterm Zeltdach bei einsetzendem Regen

Eine Antwort auf „Tag 5: Puenta de la Reina – Estella-Lizarra“

  1. Grandios, das Wandern in den Sonnenaufgang und der alte Römerweg! Ich kann das Bedürfnis, alleine zu wandern, gut nachvollziehen. Wirkt doch Vieles am Wegesrand viel intensiver, wenn man nicht in Gespräche vertieft ist. Ich denke an Dich, wenn ich hier gleich auf dem „Thursday Morning Trail“ unterwegs bin. 😉

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