Tag 26: Barbadelo – Airexe

Um 06.20 Uhr wurde ich wach und packte mit dem Handylicht leise meine Sachen zusammen, um aus dem Zimmer zu schleichen. Der alte Holzboden knarzte bei jedem meiner Schritte. Ich hoffte, dass ich Sepp dadurch nicht wecken würde. Sein Schlaf war jedoch noch tief genug :-). Ich ließ meine Sachen alle im Flur liegen, ging ins Bad und putzte mir die Zähne. Noch kurz frisch gemacht, dann zog ich mich um und war wenige Minuten später startklar. Sepp´s Etappe würde heute nicht ganz so lang sein, wie die meinige. Als ich die Holztür des Hauses von außen schloss, entdeckte ich dichten Nebel. Mit eingeschaltetem Licht ging es auf den Weg. Der Camino zog sich anfangs durch kleine, malerische Siedlungen. Weiter ging es im Wechsel von Feldern, Weiden und Dörfern… Der Tag begann so langsam zu erwachen. Die Täler auf die ich blicken konnte, waren alle noch wolkenverhangen.

Wenn ich beim Wandern so in meinen Körper rein hörte, spürte ich, dass ich morgens nicht mehr mit 100% in den Tag startete. Der bisherige Weg hatte ordentlich an meinen Reserven geknabbert und die wurden mittlerweile nicht mehr komplett über Nacht aufgefüllt… Um kurz nach 8 Uhr passierte ich den berühmten Wegstein km 100.

Wegstein km 100 kurz vor A Pena

Seitdem ich in Galizien war, zierten diese Wegsteine den Camino. Auf ihnen waren die noch verbleibenden Kilometer bis Santiago angegeben. Ich blieb stehen und konnte es fast nicht glauben, dass es ab hier nur noch drei oder vier Tage wären, bis ich die Kathedrale erreichen würde. Nach meiner ersten Etappe damals dachte ich noch, super Stephan, 25 km sind heute geschafft:-) 25 von knapp 800… Und jetzt war es wirklich nicht mehr weit. Mich überkam Freude und eine gewisse Traurigkeit, da das Ende in Sicht war…

Nach knapp drei Stunden Gehzeit gönnte ich mir eine erste Pause und eine weitere zwei Stunden danach. 18 km hatte ich bisher hinter mir gelassen… Jetzt war ich kurz vor Portomarin, einst einer der blühendsten und reichsten Orte Galiziens, bevor das Dorf im Wasser verschwand. Das heutige Portmarin ist ein Produkt aus den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts.

Blick von der Brücke aus auf die Überreste des alten Portomarin

Da es bereits kurz vor Mittag war, reservierte ich mir sicherheitshalber per Telefon ein Zimmer in Airexe. Dieser Mini-Ort verfügte nur über eine Pension und eine Herberge. Ja, ihr habt richtig gelesen! Ein eigenes Zimmer! Nach den vielen Nächten in den zahllosen Herbergen, (den gestrigen Tag einmal ausgenommen), hatte ich genau darauf jetzt bock. Auf dem Weg zum Etappenziel wollte ich nicht hoffen und bangen, ein Bett zu bekommen. In den meisten Orten oder Städten war dies nie ein Problem, aber hier wollte ich sicher gehen. Bei meinem zweiten Stop traf ich Justyna aus Frankreich und Leo aus Aachen, welcher nicht zu übersehen, Gladbach Fan war… Er trug eine Jacke mit dem Logo des Vereins. Wir unterhielten uns über die Rivalität zwischen unseren beiden Vereinen, nahmen das Ganze aber auch nicht so bierernst. Ich erfuhr von ihm, dass er zum zweiten Mal auf dem Jakobsweg war. Letztes Jahr schaffte er es in drei Wochen von Saint-Jean-Pied-de-Port bis Sahagún. Dieses Jahr wollte er den Weg bis Santiago vollenden. Nach dem kurzen Smalltalk zog ich weiter. Es war noch ein gutes Stück bis Airexe.

ein bisschen Spaß muss sein… 🙂

Täglich spürte ich meine Füße, immer wenn ich ein gewisses Laufpensum hinter mich gebracht hatte. Der Wille weiter zu gehen, trieb mich aber immer wieder an. Nach den heutigen 35,1 Km erreichte ich mein Etappenziel (25 Einwohner laut Reiseführer). Die Pension war schnell gefunden, da diese direkt an der einzigen Straße lag, die durch den Ort führte. Ich freute mich tierisch endlich wieder ein eigenes Zimmer zu haben. Ohne Rücksicht auf andere nehmen zu müssen. Einfach den Rucksack in die Ecke zu knallen und sich frei bewegen zu können. Die Dusche war zwar auf dem Flur, aber da hier so gut wie niemand einkehrt war, hatte ich keinen Stress und konnte gehen wann ich will… Nachdem ich meine Klamotten per Handwäsche gereinigt hatte, ging es in den Außenbereich der kleinen Bar gegenüber.

Für 20 Euro mein kleines persönliches Reich 🙂

Hatte heute Bock auf einen Burger, nachdem ich meinen Blick über die Speisekarte schweifen ließ… na klar, auch auf ein Bier. Christian, der Kroate, den ich bestimmt vor zwei Wochen kennengelernt hatte, gesellte sich zu mir. Wir stießen gemeinsam an und unterhielten uns über unsere Erfahrungen der vergangenen Zeit. Auch so ein Ding auf dem Camino. Wir hatten uns in der ganzen Zeit nicht wiedergesehen beim Wandern und trafen uns jetzt in dem Kaff hier… Uns entging nicht, dass schräg gegenüber von uns zwei attraktive Mädels saßen. Wir kamen ins Gespräch und lernten so Hanna aus Stuttgart und Marlene aus Berlin kennen. Nach kurzer Unterhaltung zückte Marlene eine Gitarre, die sie in León für 30 Euro erworben hatte und fing an darauf zu spielen und dabei zu singen. Man, sie hatte eine verdammt tolle Stimme.

Nach den „The Crawnberries“ stimmte sie plötzlich Hallelujah an. Spontan griff ich zum Handy und fing an sie dabei zu filmen. Sie hatte nichts dagegen. OMG dachte ich einfach nur… Während sie spielte, bekam ich am ganzen Körper eine Gänsehaut und mir liefen die Tränen. Was Marlene natürlich wissen konnte war, dass das Mamas Lieblingslied war. Das Lied, was wir noch vor vier Jahren auf ihrer Beerdigung gehört hatten…

Und jetzt hier auf dem Jakobsweg in dem kleinen Kaff Airexe, gespielt von Marlene aus Berlin. Spätestens jetzt wusste ich, dass Mama bei mir war…

Nach den gestrigen sehr emotionalen Momenten in Sarria, folgte heute direkt der Nächste… Nach diesen für mich sehr speziellen fünf Minuten, bedankte ich mich etwas verheult bei ihr und bestellte Christian und mir noch ein Bier. Das Abendessen nahmen wir zwei in Bar ein, da es so langsam etwas kühl wurde. Die beiden Mädels zogen sich kurze Zeit später in die Herberge zurück. Nach unserem leckeren Essen verabschiedete ich mich gegen 21 Uhr von Christian und suchte meine „Residenz“ für die Nacht auf:-)

Tag 25: Triacastela – Barbadelo

Es war kurz vor sieben als ich die Herberge verließ. Schon ziemlich spät, für meine Verhältnisse:-). Die nassen Klamotten konnten trotz des heftigen Schauers am gestrigen Abend über Nacht vollständig trocknen. Ich war ziemlich erleichtert. Je nach Herberge und verfügbarem Trockenraum klappt das nicht überall. So verstaute ich alle Sachen wieder schön ordentlich in meinem Rucksack und ging los. Als ich Triacastela verließ, erwartete mich direkt wieder ein beachtlicher Anstieg und ich muss gestehen, dass ich so langsam die Schnauze voll davon hatte… Dieses ständige auf und ab, zerrte jetzt nach all den Tagen an meinen Nerven und meiner Laune.

Die Leichtigkeit des Seins gab es nicht mehr. Mir steckten die vielen Etappen einfach in den Knochen. Im Buch sahen die Steigungen anhand des Höhenprofiles überhaupt nicht so wild aus. Aber ich war nach über 24 Tagen bei weitem nicht mehr so belastbar wie noch zu Anfang des Weges… und der Tag hatte ja gerade erst begonnen… Hinzu kam, dass sich nach kurzer Zeit auch mein Schienbein wieder meldete und es beim jedem Schritt höllisch weh tat.

Etwas Balsam für die Seele nach dem ersten anstrengenden Aufstieg des Tages…

An einer der nächsten Gabelungen lernte ich Lynn aus Colorado kennen. Wir gingen das nächste Stück gemeinsam bis wir an einen etwas sonderbaren Ort kamen, an dem ich hängen blieb. So lernten wir uns kaum kennen. Lynn ging weiter und verabschiedete sich wieder von mir. Durch einen schmalen Spalt zweier großer Holztüren konnte ich Sitzmöbel, geschriebene Tafeln und Holzpaletten erkennen. Ich ging ein Stück hinein und war nun mitten auf einem Gelände, auf dem sich, nach erstem Anschein Aussteiger oder ehemalige Pilger niedergelassen hatten, um dort gemeinsam mit dem Allernötigsten zu Leben.

Es gab weder warmes Wasser noch eine richtige Toilette. In einer Scheune konnte man seiner Kreativität mit Werken oder Malen freien Lauf lassen. Ich entdeckte einen Gemüsegarten, sowie ein paar Hühner, die möglicherweise auf dem Teller landeten oder als Eierlieferant dienten. Der Ort faszinierte mich und so blieb ich eine ganze Weile hier. Neugierig sprach ich ein junges Mädel an, das gerade an mir vorbeilief. Glücklicherweise antwortete sie mir direkt auf deutsch. Sie war den Jakobsweg vor einem Dreivierteljahr selbst gegangen. Auf ihrem Weg kam sie auch hier vorbei und war dann zurückgekehrt, nachdem sie Santiago erreichte, um eine Zeitlang zu bleiben. Am nächsten Tag würde sie abreisen um ihre Eltern in Andalusien, genauer gesagt in Nerja zu besuchen. Welch Zufall dachte ich, da ich selbst schon dreimal dort war und Nerja immer als Ausgangspunkt wählte, um Andalusien zu erkunden.

Eine andere Pilgerin bot mir frisch gebackenen Kuchen und Kaffee an. Auf dem Tisch vor mir gab es auch wieder die Möglichkeit sich auf Spendenbasis mit Früchten, Wasser, Kaffee oder kleinen Snacks für den Weg einzudecken.

Eine etwas sehr sonderbare Entdeckung machte ich dann noch, aber seht selbst… 🙂

Nach dem kurzen Gespräch ließ ich eine angemessene Donativo hier und verließ diesen besonderen Ort wieder. In Google Maps zu finden unter Respira Y Disfruta.

Den Weg kennzeichneten weitere Auf- und Abstiege bis ich Calvor erreichte um eine Pause einzulegen. Zeit, um nach knapp drei Stunden meine Füße von den Schuhen zu befreien und meinem Schienbein eine Erholung zu gönnen…

Sarria erreichte ich dann knapp 1 ½ Stunden später. Der Ort wird für viele Pilger als Startpunkt gewählt um von hier nach Santiago zu gehen da Sarria etwas über 100 km entfernt liegt. Genau diese Strecke ist gleichzeitig die Minimumdistanz, die ein Wanderer zurücklegen muss, um im Pilgerbüro in Santiago die begehrte Compostela (Urkunde) zu erhalten. Vielleicht für den ein oder anderen Einsteiger eine gute Distanz sich mit dem Pilgern vertraut zu machen… Für mich ergab sich in den nächsten Tagen ein etwas anderes Bild, aber dazu später mehr…

Als ich den Vorplatz von Sarria erreichte, war das nächste Restaurant nicht weit. Die Stühle davor luden zu einer weiteren Pause ein. Nach dem ich mir ein Weizenbier bestellte, lernte ich am Tisch gegenüber sitzend, Franz und Hans aus Oberbayern, sowie wenig später Sepp aus Österreich kennen. Ich kann es an dieser Stelle vorwegnehmen… aus dem einen Weizen wurden insgesamt drei… Fast zwei Stunden verbrachten wir vier gemeinsam und so erfuhr ich u.a. warum Franz hier auf dem Weg war.

Sein Sohn kam vor einem Jahr bei einem Autounfall ums Leben. Sein bester Freund Hans hat dann einfach irgendwann entschieden ihn mit auf den Jakobsweg zu nehmen. Franz war in dieser Zeit nicht mehr er selbst, ihm wurde der Boden unter den Füßen weggerissen. Sein Lebenssinn war für ihn dahin… Hans handelte einfach in dieser Situation. Auch wenn Franz damals nicht begeistert von dieser Idee war, ist er Hans heute dafür unendlich dankbar. Mir kamen ein paar Tränen, weil ich diese Geste einerseits so unglaublich toll fand und andererseits, weil ich an Micha denken musste…

23 Jahre war es jetzt her, dass mein Bruder seinen tödlichen Autounfall hatte. Ich erzählte ihnen davon. Es ist für mich heute immer noch unbegreiflich, dass so etwas geschehen darf… Dass so ein junger Mensch einfach aus dem Leben gerissen wird. Der Sonntagmorgen, als Papa in mein Kinderzimmer kam, ist mir noch so präsent. Meine Eltern hatten in der Nacht nach dem Anruf aus dem Krankenhaus nicht mehr geschlafen und Papa kam dann morgens in mein Zimmer, nahm mich in den Arm und sagte was passiert ist. Ich war noch gar nicht richtig wach, als er mir sagte, dass Micha tot sei. Er muss selbst völlig überfordert von der Situation gewesen sein. Ich nahm seine Worte zur Kenntnis, hab sie aber in dem Moment überhaupt nicht verarbeitet. Ich war wie gelähmt und ein Teil von mir hat es auch nicht geglaubt. Völlig unwirklich, saßen wir einige Stunden später im Wohnzimmer zusammen mit der Bestatterin und Mama bat mich unter Tränen, doch etwas auszusuchen, dass Micha tragen wird. Sie wollten es nicht allein entscheiden. Ich wusste überhaupt was ich da tue. Was soll ich jetzt hier aussuchen? Das ist doch gerade nur ein schlechter Film und Micha würde später wie immer mit seiner „großen Fresse“ den Raum betreten und alles wäre gut. Ich wollte einfach nur raus aus der Situation, ich konnte kaum noch atmen… Irgendwie haben wir uns dann natürlich für etwas entschieden. Ich weiß es heute nicht mehr.

Ob ich das was damals passiert ist akzeptiert habe? Nein, einfach nein. Ich lebe damit und hab gelernt damit zu leben. Meinen Eltern hat es das Herz raus gerissen. Für mich ein unvorstellbares Gefühl, wenn man seinen Sohn beerdigen muss. Nichts war ab diesem Tag für uns wie vorher. Und dann mussten wir das noch irgendwie Andy verklickern, meinem anderen Bruder, der zu dem Zeitpunkt zwei Jahre jünger als Micha war und sich seit acht Jahren in psychiatrischer Behandlung befand… Andy hatte immer zu Micha aufgesehen. So chaotisch er auch war, hat er sein Leben auf seine Art gemeistert. Andy war eher in sich gekehrt und ist allem Ärger und Stress immer aus dem Weg gegangen. Für Andy ist ein wichtiger Halt in seinem Leben einfach weggebrochen… Heute bin ich auch fest davon überzeugt, dass gerade Mama, das nie überwinden konnte und dieser Verlust meine Eltern insgesamt viele Lebenspunkte gekostet hat… Ich bin so wahnsinnig stolz auf beide! Wie sie das alles gemeistert hatten mit uns drei Jungs. Papa hat so gut wie jede Doppelschicht mitgenommen, um das nötige Geld im Haus zu haben. Sie haben mir, trotz unserer nicht immer einfachen Situation alles Wichtige im Leben vermittelt und beigebracht! Werte wie Vertrauen, Verlässlichkeit und Zusammenhalt und das es im Leben nicht immer den einfachen Weg gibt! Sie haben sich manchmal gestritten, wie die Kesselflicker… Auch wenn sie dachten ich würde es nicht mitbekommen. Aber sie waren immer ehrlich zueinander und haben diese Situationen gemeinsam durchgestanden! Danke für alles… ich liebe euch!

Wie oft mir doch heute noch Situationen einfallen, die Micha so treffend beschreiben. Ein Stehaufmännchen vor dem Herrn, der bei so gut wie jeder Scheiße „hier“ geschrien hat. Meistens spontan und ohne viel Nachdenken handelte. Das betraf sowohl den nächsten Klamottenkauf, als auch mal eine Heirat. Bei der die Frau mit zwei, ich darf es heute sagen, Rotzblagen daher kam und sich ihr Ex währenddessen im Knast befand. Stilsicher aus seiner Sicht, war Micha jedoch beim Haarschnitt. Für alle, die sich heute noch an den jungen Andre Agassi erinnern können… Der buschige Vokuhila, mit dem mein Bruder dann bei meinen Eltern erschien, trieb sie regelmäßig, besonders Papa in den Wahnsinn… 🙂 Arbeit? Ja klar! Aber verlor er schonmal schnell das Interesse vom einen auf den anderen Tag oder nahm es mit der Regelmäßigkeit nicht so ernst… Bei allem was er sonst tat und möglicherweise schief lief, schüttelte er sich dreimal und machte weiter. Sehr beneidenswert und das meine ich ohne Ironie!! Geld was er noch nicht besaß, hatte er schon längst ausgegeben… Die hitzigen Diskussionen mit Papa klingeln mir heute noch in den Ohren… 🙂

Da wir altersmäßig neun Jahre auseinander waren, hatten wir quasi erst kurz vor seinem überraschenden Tod ein richtig gutes Verhältnis zueinander. Ich war 17 Jahre jung als er starb und als Bengel existierte ich vorher nicht wirklich in seinem Universum. Naja, ganz unbeteiligt war ich an meiner damaligen Unbeliebtheit wenn ich daran denke, dass ich Micha und Andy, regelmäßig verpetzt hab, wenn die zwei z.B. heimlich geraucht hatten. Die waren aber auch selbst schuld 🙂 warum nahmen sie mich auch nie mit, wenn die sich mit gleichaltrigen trafen… *grins*

Als ich erwachsener wurde, bekamen wir zwei einen ganz anderen Draht zueinander. Und kurz darauf, war er dann von einem auf den anderen Tag nicht mehr da… Ich hab trotzdem viel von ihm und seiner Art behalten und aus dem was passiert ist viel für mich gelernt.

Die vorher so fröhliche und ausgelassene Stimmung wechselte zwischenzeitlich in Betroffenheit und Mitgefühl. Aber gerade das war das Tolle auf dem diesem Weg. Wildfremde Menschen nehmen Anteil und haben ein offenes Ohr… Das Mitgefühl war quasi greifbar!

Wir erhoben gemeinsam unsere Gläser, waren in Gedanken bei unseren Liebsten und stießen auf sie an.

Da meine Etappe nicht in Sarria enden sollte, wurde es langsam Zeit sich wieder auf den Weg zu machen. Franz und Hans hatten sich hier für die Nacht bereits einquartiert. Sepp wollte ebenfalls noch weiter. Wenn wir heute noch eine Unterkunft in einem anderen Ort bekommen wollten, müssten wir jetzt wirklich los. Unter allen Umständen wollte ich es vermeiden in Sarria zu bleiben, auch wenn mir die gemeinsame Zeit mit den Jungs, gerade verdammt gut tat. Ich hatte im Vorfeld viel über den „Sturm der Massen“ gelesen, der ab hier Richtung Santiago aufbricht. Ich war nicht scharf drauf das zu erleben…

Da Sepp des Spanischen sehr mächtig war, griff er kurzerhand zum Telefon und und reservierte, soweit ich das verstehen konnte, in einer kleinen Pension in Barbadelo ein Zimmer für uns. Das bedeutete für uns ab hier noch eine gute Stunde Fußweg. Sepp schaffte es und konnte uns ein Zimmer mit zwei Einzelbetten reservieren. Ohne mir weitere Gedanken über Sepp zu machen, stimmte ich dem zu und wir zogen los.

Also hieß es für uns, Schuhe an, Rucksack auf und los… Nach den drei Bierchen fiel uns der Weg durch die Mittagshitze sichtlich schwer… Vorteil war, ich war zu abgelenkt und hatte gerade keine Schmerzen:-) Wir erreichten Barbadelo und die Casa de Carmen. Ein uriges altes Häuschen mit nur wenigen Zimmern. Nach dem Einchecken richteten wir uns kurz in unserem Zimmer ein, nahmen eine Dusche und trafen uns im Garten der Anlage wieder, um den Nachmittag ausklingen zu lassen.

uriges altes Zimmer in der Casa de Carmen

Mit Sepp teilte ich mir noch eine Flasche Rotwein bevor sich alle Pilger zum Abendessen in der Herberge einfanden. Uns standen zwei Menüs zur Auswahl. Nach dem richtig guten Essen und ein paar zwanglosen Unterhaltungen zog es mich dann aber ins Bett. Sepp würde morgen ausschlafen und blieb daher noch länger.

Tag 24: La Faba – Triacastela

Mit wolkenverhangenem Himmel startete ich in diesen Tag. Es war kurz nach 6 als ich mich auf den Weg machte. Mittlerweile wurde ich morgens fast täglich vor meinem Wecker wach und fühlte mich trotz aller Strapazen der zurücklegenden drei Wochen immer erholt und bereit für das nächste Abenteuer…:-)

Als ich losging, verhieß der Blick Richtung Himmel jedoch nichts Gutes… Am Horizont, noch etwas entfernt, erhellten immer wieder Blitze die Wolkendecke. Es war das erste Mal in dieser ganzen Zeit, dass das Wetter mir einen Strich durch den kommenden Wandertag machen könnte… Eine weniger schöne Überraschung am noch frühen Morgen. Ich wusste nicht so genau mit der Situation umzugehen. Mit Gewitter in den Bergen ist nicht zu spaßen. Ja ich gebe zu, ich bekam zunehmend schiss, da mein Weg mich immer weiter nach oben auf den Berg führte und der Wald rundherum immer mehr verschwand. Die Blitze wirkten so noch heller und näher als sie es tatsächlich waren. Für einen kurzen Moment wurde es um mich herum immer taghell…

Mich beschäftigte die ganze Zeit in welche Richtung das Gewitter wohl ziehen würde. Gleichzeitig verlangte mir der steile Anstieg zusätzlich alles ab. Jetzt setzte auch noch leichter Regen ein. Alles zusammen bereitete mir die Situation ganz schön Stress…

Die Lichter, die ich aus der Ferne bereits entdecken konnte, entpuppten sich dann nach knapp einer Stunde Gehzeit als das kleine malerische Bergdorf La Laguna. Bei freundlichem Wetter bestimmt ein Highlight es zu erreichen… Ziemlich nassgeschwitzt und voller Anspannung suchte ich einfach einen Unterschlupf und ging geradewegs in das kleine Café mitten im Dorf.

Erstmal froh, bis hierhin gekommen zu sein, traf ich auf weitere Pilger, die hier tags zuvor Halt gemacht hatten und nun überlegten, ob sie bei der aktuellen Wetterlage starten können. Jeder hatte sein Smartphone in der Hand und checkte alle möglichen Wetter-Apps. So war es am frühen Morgen ein ziemliches Gewusel und Getuschel in dem kleinen Café. War ein Weitergehen ungefährlich? Wohin würde das Gewitter ziehen? Wie lange werde ich hier bleiben müssen?

Ich bestellte mir an der Theke einen Kaffee und hielt mich eine gute halbe Stunde hier auf, bis ich, trotz der unklaren Wetterlage ungeduldig wurde und mich entschied weiterzugehen. Laut der App zog das Gewitter Richtung Westen, also von mir weg… Mit mir trauten sich auch einige andere Pilger und gingen los… Knapp 20 Minuten später begrüßte mich der Grenzstein der Provinz Lugo. Das wird jetzt keinem was sagen 🙂 aber kurz gesagt, nun war ich in Galizien!

Als ich eine knappe halbe Stunde später das denkmalgeschützte Bergdorf O Cebreiro auf 1300m erreichte, waren die Blitze am Horizont noch deutlich wahrzunehmen und der Wind wurde wieder stärker. Da es bisher immer nur ganz leicht regnete, entschied ich mich weiterhin auf den Poncho zu verzichten, den ich gut verstaut im Rucksack untergebracht hatte.

wolkenverhangener Himmel mit kleinem Lichtblick in O Cebreiro

Dieser berühmte Ort hat es eigentlich verdient, hier mehr Zeit zu verbringen. Da das Wetter jedoch wirklich mies war und die Sonne sich auch nicht zeigte, entschied ich mich, nach einem kurzen Aufenthalt, zügig weiterzugehen. Mein Wanderführer verreit mir, dass der Weg noch zwei kurze aber heftige Aufstiege für mich parat hatte. Am Alto do san Roque auf 1270 m angekommen, gönnte ich mir in einem Café ein herzhaftes Frühstück mit Eiern und gebratenem Speck. Dazu einen heißen Kaffee.

Ich fand, es war Zeit für ein herzhaftes Frühstück nach diesem rauen Start in den Tag…

Als ich so unter dem Vordach des Cafés saß, wurde der Regen zunehmend stärker und ich konnte beobachten wie so gut wie alle Pilger sich mit ihrem entsprechenden Regenschutz ausrüsteten. Diese Prozedur kann sehr aufwändig sein, je nachdem für was man sich im Vorfeld entschieden hat… Ein Poncho ist recht schnell übergeworfen, dafür schwitzt man darunter wie Sau… Die Regenjacke und die dazugehörige Hose stecken meistens in den Tiefen des Rucksacks, da man sie so selten benötigt. Um sich umzuziehen ist eine trockene Umgebung sehr hilfreich. Wenn kein starker Wind herrscht, kommt man sogar gut mit einem Schirm zurecht. Vorausgesetzt man ihn eingepackt 🙂

So wie ich, wollte der ein oder andere ebenfalls warten, bis sich das Wetter merklich bessert. Da dieser Zeitpunkt jedoch (für mich) zu lange auf sich warten ließ, entschied auch ich mir den Poncho überzuwerfen und weiterzugehen.  Wobei Poncho an der Stelle sehr wohlwollend ausgedrückt ist…

So wurde ich zum ersten Mal auf diesem Weg richtig nass. Die hohe Luftfeuchtigkeit führte dazu, dass ich unter dem Poncho schnell ins Schwitzen kam. Nach gut einer Stunde war der Spuk jedoch wieder vorbei und die Sonne durchbrach die Wolken mehr und mehr. Schon bald war der Himmel wieder stahlblau. Der Poncho konnte also direkt wieder im Rucksack verschwinden. Durch den blauen Himmel und die klare Sicht, konnte ich jetzt erst dieses atemberaubende Panorama wahrnehmen.

Ab jetzt ging es buchstäblich nur noch bergab, was sich einfacher liest als es war. Mein heutiges Tagesziel war nicht mehr weit. Zuvor stoppte ich jedoch noch einmal in Fillobal für ein kühles Bier und erreichte dann gegen zwei Uhr Triacastela.

Als ich in der Herberge ankam, hatte ich keine Lust meine Sachen mit der Hand zu waschen. So nutzte ich deshalb den hauseigenen Wäscheservice. Nach der Dusche und der Körperpflege, konnte ich die gewaschenen Sachen im Garten der Herberge aufhängen. In der Mittagssonne werden diese ruck zuck trocknen, dachte ich.

wertige Herberge in Triacastela

Der Hunger trieb mich ins Zentrum des kleinen Bergdorfs (641 EW) und suchte mir dort einen schönen Platz im Schatten. Meine Wahl auf das Restaurant Xacobeo. Die Tische standen im Außenbereich entlang der langen Gasse. Der Blick in die Karte verreit mir, dass das Pilgermenü mir hier die bisher größte Auswahl an möglichen Speisen bot. Das Essen hatte eine top Qualität und die Portionen waren riesig. Kurz gesagt, ich war nach dem Essen pappsatt. Bea und Theresia funkten mich über WhatsApp an, dass sie auch bis Triacastela gehen wollten an diesem Tag. 

Es war bereits 17 Uhr und die beiden konnten sich per Telefon einen Schlafplatz in meiner Herberge reservieren. Alex aus Neuseeland, die ebenfalls bis hierher gewandert war, gesellte sich derweil zu mir und wir stießen mit Rotwein auf die heutige Etappe an. Durch die Wetterkapriolen und die eigenen Erlebnisse, hatten wir uns gegenseitig viel zu erzählen.

In der angeregten Unterhaltung bemerkten wir beide nicht, dass das Wetter umgeschlagen war. Dichte Wolken waren zogen am Himmel auf und plötzlich setzte ein heftiger Platzregen ein. Circa drei Sekunden später fiel mir meine Wäsche ein, die noch draußen an der Leine zum Trocknen hing. Ich sagte Alex kurz was los sein und rannte im nächsten Augenblick in meinen Flip Flops zurück zur Herberge, schnappte mir blitzschnell die gesamte Wäsche und brachte sie in den Trockenraum. Nachdem das geschafft war, ging ich ziemlich patschnass zurück zum Restaurant. Alex hatte sich bereits drinnen einen Platz gesucht. Sie konnte das Grinsen nicht verkneifen als sie mich sah :-).

Ein paar weitere deutsche Pilger setzten sich zu uns an den Tisch. Simon und Dennis aus Hamburg, sowie ein Mädel aus Köln, dessen Namen ich leider vergessen habe. Wir tranken noch etwas gemeinsam und unterhielten uns lange und angeregt. So verging die Zeit wieder mal viel zu schnell… Mein Blick auf die Uhr verriet mir dann, dass es Zeit wurde, in die Herberge zurück zu kehren.

Tag 23: Cacabellos – La Faba

Der erste Gedanke der mir an diesem Morgen nach dem Aufstehen in den Kopf schoss war, dass ich verdammt lange nicht mehr so gut geschlafen hatte… Niemand der über oder unter mir im Stockbett lag, sich nachts gedreht hatte oder aufstehen musste um dann das ganze Bett ins Wanken zu bringen:-) auch im Nachhinein betrachtet, ein herrliches Gefühl!

Da ich vor meinem Wecker wach war, machte ich mich leise fertig und zog schon um kurz vor sechs Uhr los. Die Frauen schliefen noch. Es ging erstmal größtenteils an der Landstraße entlang raus aus der Stadt, durch einige kleine Orte. Nach knapp zwei Stunden erreichte ich Villafranca del Bierzo. Der richtige Moment für einen ersten Stopp und einen heißen Kaffee dachte ich. „Klein-Compostela“ nannten die mittelalterlichen Pilger die Stadt, da Kranke und Schwache, die die Wallfahrt über den hohen Cebreiropass bis in die Apostelstadt nicht fortsetzen konnten, auf den Stufen der Puerta del Perdón (Gnadenpforte) der Iglesia de Santiago den gleichen Ablass wie am Apostelgrab erhielten…

Schönes Fundstück am Wegesrand auf dem Weg nach Villafranca

Als ich weiterging, traf ich auf Simone aus Freiburg. Wir standen fast zeitgleich an einer Gabelung und suchten den richtigen Weg raus aus der Stadt. Wir kamen ins Gespräch und tauschten uns aus. Im Reiseführer wurden ab hier wieder zwei mögliche Routen vorgeschlagen. Einer führte an der Straße entlang. Der Zweite sogenannte „camino duro“ (harter Weg) führte sehr steil bergauf. Nach kurzem Zögern entschieden wir uns beide für den camino duro, welcher unmittelbar nach Villafranca del Bierzo begann. Der Weg an der Straße wirkte auf uns beide wenig reizvoll, auch wenn dieser bestimmt wesentlich leichter zu gehen wäre. So ging es für uns in den ersten 20 Minuten des Weges steil bergauf… Die Beschreibung passte wie die Faust aufs Auge… Es war gelinde gesagt einfach heftig… Mein Puls schoss in die Höhe und das Sprechen fiel mir nach den ersten Minuten auch echt schwer 🙂 So kamen wir in den frühen Morgenstunden ordentlich ins Schwitzen… Simone gab mir kurz darauf zu verstehen, dass sie etwas langsamer machen müsste… Ich verabschiedete mich von ihr und ging den Anstieg allein weiter nach oben. War er anfangs noch asphaltiert, so säumten kurze Zeit später größere Steine oder sogar Felsbrocken den Weg.

Ich dachte daran wie beschwerlich und rutschig dieser Part bei Regen wohl war. Mein Glück, dass sich wieder ein herrlicher Sonnentag anbahnte. Als ich oben ankam, wurde ich zudem mit einer fantastischen Aussicht auf das hinter mir im Tal liegende Villafranca del Bierzo für den anstrengenden Aufstieg belohnt. Einfach fantastisch! Ich gönnte mir eine kurze Erholungspause und genoss den Rundumblick…

Nach dem Aufstieg der Blick zurück auf Villafranca des Bierzo

Ab hier ging es noch etwas weiter bergauf, bevor ich dann den höchsten Punkt auf 923 Metern erreichte. Leicht bergab kam ich kurz darauf in einen wunderschönen Wald mit mächtigen Edelkastanien, genauso wie es im Reiseführer beschrieben war. Wie geil ist das denn dachte ich, so schööön. Es hatte sich wieder mal gelohnt den schweren Part zu wählen. Die Anstrengung von vorhin hatte ich längst vergessen… Und dann diese Ruhe hier oben… Die Straße, die unterhalb des Berges verlief, konnte ich zwar sehen, aber kein Geräusch drang bis hier hin durch…

Nach diesem Genuss und der Belohnung (es fühlte sich für mich jedenfalls so an), wartete allerdings auch direkt wieder die nächste Herausforderung… der Abstieg nach Trabadelo. Es ging über 400 Meter bergab… Hinzu kam, dass ich seit einiger Zeit einen brennenden Schmerz am rechten Schienbein verspürte. Fühlte sich wie eine Überreizung der Sehne an. Kein Wunder bei den unzähligen Auf- und Abstiegen die ich bis hierhin schon hinter mir hatte… Diese machten sich jetzt anscheinend bemerkbar… Ziemlich unangenehm. Ich versuchte den Schmerz so gut es ging auszublenden und mich nicht zu sehr darauf zu konzentrieren. In Trabadelo angekommen, war es Zeit für eine Pause. Ich zog die Schuhe und Socken aus um meine Füße hoch zu legen… Eine Tortilla und ein kühles Bier in einem kleinen Café dienten mir als zweites Frühstück. Ich war jetzt bereits 5 ½ Stunden unterwegs.

links nach Santiago und rechts zum Café

Es ging weiter Richtung Ambasmestas. Bea und Theresia waren hier in einer kleinen deutschen Herberge an einem Fluss untergekommen. „Das Animas“ hieß sie.

Ich traf die beiden dort, warf einen Blick hinein und unterhielt mich eine Zeit lang mit dem Besitzer, der mir spontan ein Estrella Damm auf den Tisch stellte. Nach einer kurzen Erholungspause zog es mich jedoch weiter… Ich kann euch nicht beschreiben warum, aber trotz der Anstrengung und der Schmerzen die ich hatte, war es so, dass der Weg manchmal wie ein Magnet auf mich wirkte und ich eben weitergehen „musste“. Wie schon anfangs gesagt, ich hatte keine Eile, zu keiner Zeit. So startete ich nach der kleinen Erholungspause wieder. Die Uhr zeigte kurz nach eins, als ich mich auf den Weg begab. Es war heute nicht so heiß wie an den Tagen zuvor. Aber durch das heutige Pensum spürte ich jedoch wieder die Schmerzen unter meinen Füßen. Entlang an ganz kleinen Ortschaften und vorbei an Kuhwiesen kam mir plötzlich der Gedanke, bis La Faba zu gehen. Was bedeuten würde, dass ab hier liegen noch gut 10 km vor mir lagen…

Inspiration am Wegesrand auf dem Weg nach La Faba
links der Fußweg nach La Faba, rechts würde es für die Fahrradfahrer weitergehen

Der Weg zweigte nun von der Straße aus nach links in ein Waldstück ab. Es ging eine ganze Weile entspannt gerade aus, bevor es erneut bergauf ging. Es ging wieder verdammt steil nach oben. La Faba lag auf 915 m über NN. Über große Steine und eine Menge Geröll benötigte ich eine gute Stunde bis ich endlich die Iglesia de San Andrés erblickte. Ziemlich durchgeschwitzt (zum zweiten Mal an diesem Tag), meisterte ich auch die letzten Schritte. Wieder musste ich daran denken, welch eine Schlitterpartie dieser Weg bei Regen oder gar Schnee sein muss… Oder um es im feinsten Ruhrpott Dialekt zu sagen… „ich würde mich permanent auf die Fresse legen“.

Als ich oben ankam, dachte ich als erstes an eine kalte Dusche und dass ich schnellstens aus meinen durchgeschwitzten Klamotten raus muss. In La Faba gab es zwei Herbergen. Die erste war bei meinem Eintreffen gegen 16 Uhr leider bereits voll. Scheisse, daran hatte ich vorher einfach nicht gedacht. Es war halt schon sehr spät für Pilgerverhältnisse… Der Gedanke weiterzugehen zu müssen war unvorstellbar, sollte die zweite Herberge ebenfalls komplett belegt sein. Die Etappe bis hierher hatte mich total geschafft .

Wieder war mir das Glück hold… es gab in der anderen Unterkunft noch ausreichend freie Betten. Als ich darauf zulief wurde ich bereits aus der Ferne sehr freundlich und herzlich von Ilona und Roland begrüßt. Die beiden waren ursprünglich aus Dortmund und arbeiteten jedes Jahr ehrenamtlich für drei Wochen in der Herberge. Nach dem Einchecken und einem kurzen Plausch zeigte mir Ilona meinen Schlafplatz und erklärte mir kurz wo ich alles Nötige finden würde. Nach der längst fälligen Dusche ging ich zurück in das kleine Zentrum und suchte die nächste Bar auf. Ich hatte Hunger, einfach nur Hunger… na gut und natürlich auch etwas Durst 🙂

Gerösteter Toast und ein sehr leckerer Salat… dazu ein kühles Weizen

Ich wurde nicht enttäuscht und bekam sogar noch einen Platz in der Sonne. Nach dem Trip schmeckten mir das Essen und das kühle Weizenbier gleich doppelt gut. So gefühlt am Arsch der Heide auf über 900 Metern in einem 30 Seelen Dorf. Einfach nur glücklich hier zu sein und die Etappe gemeistert zu haben, genoss ich den restlichen Nachmittag hier… als mir plötzlich einfiel, dass „soviel“ Nachmittag gar nicht mehr übrig war, es schon früher Abend war und ich doch noch zu dem einzigen Supermarkt musste, damit ich für morgen versorgt bin. Laut Buch würde da nämlich erstmal kein Ort kommen, in dem ich etwas einkaufen könnte…

Als auch das erledigt war, ging es dann auch direkt zurück. So war ich schon um acht Uhr in der Herberge und hundemüde. Im Bett liegend schrieb ich noch ein paar WhatsApp Nachrichten und schlief kurz darauf ein.

Tag 22: El Acebo – Cacabellos

Direkt am Ortsausgang von El Acebo erinnerte ein Denkmal an den 1987 mit dem Rad tödlich verunglückten deutschen Pilger Heinrich Krause. Radfahrer werden deshalb auch weiterhin vor der kurvenreichen und steilen Abfahrt nach Molinaseca gewarnt. Auf den ersten Kilometern des Tages führte mich der Weg meist über Landstraßen oder Feldwege. Hinter Riego de Ambrós erwartete mich dann ein sehr schöner, aber auch verdammt steiler und steiniger Pfad nach unten. Dieser war in der Dunkelheit schon eine ziemliche Herausforderung und sehr anspruchsvoll. So hieß es schon am frühen Morgen hellwach und konzentriert zu sein.

Da ich mich noch auf knapp 900 Metern über NN befand, war es noch empfindlich kühl. Trotzdem war ich wieder mit der kurzen Hose gestartet, da es ein schöner Tag ohne Regen werden sollte. Der Fleece Pulli hielt meinen Oberkörper ausreichend warm. Der Weg führte mich durch und und zwischen die Berge. An einem bestimmten Punkt konnte ich Zeuge eines tollen Naturschauspiels werden.

Sonnenauf- und Monduntergang kurz vor Molinaseca

Ich hielt kurz inne und beobachtete wie der Mond hinter den Bergen verschwand…

Ein paar Meter weiter wurde ich dann vor ein kleines Rätsel im Morgengrauen gestellt, da die Kennzeichnung des Weges so gar nicht eindeutig war. Nachdem das geschafft war und ich wieder auf „dem rechten Weg“ war, tauchte nach den wirklich sehr anspruchsvollen acht Kilometern Molinaseca auf. Ein sehr schönes kleines Städtchen mit prunkvollen Villen am Ortseingang.

Für mich jedoch noch etwas zu früh für eine erste Pause :-). So erreichte ich nach weiteren zwei Stunden Ponferrada. Eine Stadt die im Reiseführer besondere Erwähnung fand. Mir fiel hier nur die beschriebene Templerburg auf, an der der Weg entlangführt.

Templerburg in Ponferrada

Den Rest der Stadt fand ich kurz gesagt ziemlich hässlich. Viele Hochhäuser mit zig Wohneinheiten die nebeneinander standen und den Charme einer Plattenbausiedlung versprühten. Vielleicht empfand ich dies auch nur als total krassen Gegensatz nach den vielen kleinen beschaulichen Bergdörfern und der Ruhe dort. Ponferrada war mit knapp 65.000 Einwohnern eine große und laute Stadt. So ging ich, trotz des Kaffeedurstes schnellen Schrittes durch sie hindurch. Jetzt wurde es aber nach 4 ½ Stunden verdammt nochmal Zeit für eine Pause.

Ich erreichte Columbrianos , welches gemeindetechnisch noch zu Ponferrada gehörte, aber mit knapp 1.400 Einwohnern wesentlich beschaulicher war. Im Innenhof eines kleinen Cafés fand ich einen schattigen Platz. Der fröhlich trällernde Kanarienvogel in der Ecke war nicht zu überhören. Es kam mir so vor, als würde er passend zur Musik im Radio mitsingen :-).

Nach der wohltuenden Pause ging es weiter durch zahlreiche kleine Orte, in denen immer wieder schöne Häuser auf tollen Grundstücken den Wegesrand zierten.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite konnte man aber auch ein krasses Gegenstück dazu entdecken…

Nachdem ich einen weiteren Ort namens Camponaraya hinter mir gelassen hatte, erreichte ich nach knapp 32 km mein heutiges Tagesziel, Cacabellos.

An der Herberge La Gallega traf ich Bea und Theresia wieder, die sich bereits hier einquartiert hatten. So checkte ich ebenfalls ein und betrat kurze Zeit später mein Zimmer. In diesem standen nur vier Einzelbetten. Das war nach den vielen Großraumschlafsälen gefühlt wie ein 6er im Lotto :-). Eine tolle Überraschung, ich war total happy. Hinter mir betraten noch drei Frauen aus Kolumbien den Raum. Es waren Maria und ihre Nichten mit denen ich heute das Zimmer teilte. Maria sprach sogar etwas deutsch, da sie einige Zeit in Deutschland lebte. Nach der Begrüßung und einem kurzen Smalltalk, überließ ich den Frauen das Badezimmer. Bea und Theresia hatten mir geschrieben, dass es in der Nähe einen Fluss gab, an dem man baden konnte. Die beiden waren nämlich schon da…

Ruck zuck hatte ich mein Handtuch eingepackt und schluffte in Flip Flops Richtung Fluss. Als ich über eine Brücke ging, konnte ich die beiden bereits aus der Ferne auf einer Liegewiese erkennen. Das Wetter war auch an diesem Tag sensationell, sodass es mich nicht lange hielt um ins Wasser zu kommen. Als ich mit einem Fuß im Wasser war, zuckte ich kurz zusammen, weil es einfach arschkalt war:-). Nach kurzem Zögern und einigem Mimimi ging es dann aber mit einem Köpper rein ins kühle Nass. Was für eine geile Erfrischung nach dem anspruchsvollen Wandertag. Wieder einmal belohnte uns der Camino für die Mühen…

Gemeinsam genossen wir das geniale Wetter bis in den späten Nachmittag hinein. Lagen einfach faul auf der Wiese im Schatten… Erst der Hunger trieb uns zurück in das kleine Städtchen. Wir brachen unsere Zelte ab und machten uns auf in die Herberge. Im Zimmer angekommen, waren die Frauen nicht oder noch nicht wieder zurück. So konnte ich mich in Ruhe duschen und fertig machen. Bea und Theresia warteten vor der Herberge auf mich und erzählten mir, dass es in der Nähe eine Bodega gibt in der eine Weinverköstigung stattfindet. Wir machten uns auf den Weg und standen keine zwanzig Minuten später in einem sehr sehenswerten Gebäude.

Wenn man doch nur die Möglichkeit hätte etwas mitzunehmen 🙂

Hier gab es viel zu entdecken… Neben den vielen tollen und teilweise sehr alten Weinen wurde hier auch Feinkost zum Verkauf angeboten. Leider konnten wir davon überhaupt nichts mitnehmen. So blieb eben mehr Zeit für die Weinprobe 🙂

Prost… Theresia, Bea und ich

Nach diesem kleinen „Leckerchen“ hatten wir alle aber nun wirklich Hunger! Ein paar Meter zurück im Ort entdeckten wir ein sehr schickes, kleines Restaurant, wo wir uns das Essen und natürlich auch den Wein schmecken ließen. Nach dem entspannten Nachmittag am Wasser und dem tollen Essen waren unsere Akkus aber auch beizeiten einfach platt. So ging es bald wieder zurück in die Herberge. Die drei Frauen waren noch nicht zurück. Ich machte mich in Ruhe bettfertig und schlief direkt ein.

Tag 21: Santa Catalina de Somoza – El Acebo

Meine Nacht war etwas unruhig, kein Plan warum, ich war einfach öfter wach. Nichts desto trotz stand ich wie geplant um kurz nach sechs Uhr auf. Die ersten knapp zwei Stunden ging es wieder durch die Dunkelheit, meist auf oder neben der Landstraße. Um diese Uhrzeit waren so gut wie keine Autos unterwegs, ab und an bekam ich allerdings schon ein mulmiges Gefühl, gerade wenn mir ein LKW entgegen kam… Der nächste etwas größere Ort war zum Glück bald erreicht. Der Weg verlief sehr ähnlich weiter, wenig abwechslungsreich. Ich frühstückte in Rabanal del Camino, dem Ort den Bea und Theresia als ihr gestriges Etappenziel auserkoren hatten. Ich hoffte, dass die beiden hier am Vortag in der Mittagshitze gut angekommen und nun bereits wieder vor mir auf dem Weg waren.

Hinter Rabanal ging es wieder bergauf und zwar richtig! Es begann der Aufstieg zum Puerto de Foncebadón.

Der Weg wurde beschwerlicher, die Landschaft dafür deutlich reizvoller und schöner. Die Meseta war nun so gut wie vergessen.

Meist über Schotterwege ging es durch kleine Wälder oder hoch gewachsene Wiesen, die mit zunehmendem Weg immer höher wurden.

In Foncebadón angekommen, machte ich eine kurze Pause, bevor es weiter zum Cruz de Ferro ging. Dem mit 1528 Metern höchstem Punkt auf dem Camino. Hier steht das berühmte Eisenkreuz an dem die Pilger obligatorisch einen Stein ablegen um ihre Sorgen niederzulegen, die sie von zu Haus mitgebracht hatten. Ich hatte meinen Stein zwar nicht von zu Hause mitgebracht, jedoch ließ auch ich eine große Sorge hier und meine Gedanken sollten ihren Seelenfrieden finden.

Wieder einmal hatte ich fantastisches Wetter und keine Wolke war am Himmel zu erkennen. Allerdings war es gleichzeitig undenkbar nur im T-Shirt in dieser Höhe rum zu laufen… Als ich meinen Stein dort ablegte und ein Foto von mir machen ließ, musste ich darüber nachdenken, dass ich nun tatsächlich schon drei Wochen unterwegs war. Wie viele km hatte ich schon abgerissen. Was hatte ich alles erlebt, welch tolle Menschen und Momente durfte ich erfahren. Aber welche Pannen waren mir auch passiert und welche Schmerzen begleiteten mich… und und und…

Eines kam mir aber immer wieder in den Sinn. Der Camino nahm und der Camino gab, auf seine ganz eigene Weise. Zumindest war das mein Fazit bisher.

Ab dem Cruz de Ferro ging es leicht bergab auf teils steinigen Pfaden. Es eröffneten sich mir einige spektakuläre Ausblicke in die Berge der Sierra Teleno. Nach den langen Entbehrungen der Meseta eine regelrechte Wohltat für die Augen.

Eine gute halbe Stunde später erreichte ich das größtenteils verfallene Manjarín. Nur noch ein leidlich instant gesetztes Haus dient in dem bereits 1180 schriftlich erwähnten Ort als einfache Herberge. Die Unterkunft wird im Wanderführer als „sehr speziell“ ausgewiesen, kein Warmwasser und ein Plumpsklo. Offiziell ist hier ein Einwohner verzeichnet:-).

Ab hier ging es für knapp anderthalb Stunden erneut bergauf. Belohnt wurde ich dafür mit weiteren grandiosen Ausblicken in das weite Tal des Río Sil bis nach Ponferrada. Der darauf folgende Abstieg gestaltete war, sagen wir, wieder einmal sehr unbequem und anspruchsvoll für meine Gelenke. Er erforderte definitiv meine gesamte Aufmerksamkeit und Konzentration.

Eine gute dreiviertel Stunde später erschien nach einer der vielen Abbiegungen dann endlich das kleine Dorf. Schmuck sah es aus. Alle Häuser zierten schwarze Schieferdächer.

Schiefer ist das typische Baumaterial in dieser Region. Offiziell hatte El Acebo ganze 37 Einwohner und lag 1150 Meter hoch. In der Herberge hatte ich mir gestern schon vorsorglich einen Platz reserviert, da diese nicht besonders groß war.

Als ich dort ankam, checkte ich in Ruhe ein und gönnte mir nach der üblichen Körperpflege eine leckere Portion Eier mit Schinken und Pommes aus der Pfanne. Als Erfrischung diente mir auch heute ein kühles Bier. Die Etappe zog sich über stolze 29 km. Nach dem Essen und einem kleinen Spaziergang durch das Dorf ging es zurück in den Garten der Herberge. Dort angekommen, suchte ich mir einen schattigen Platz und bestellte mir eine Sangria im Glas. Die Aussicht von hier oben in das weite Tal war herrlich.

Als ich eine junge Frau neben mir bemerkte, sprach ich sie an. Sie hieß Alex und kam aus Quebec in Kanada. Wir unterhielten uns über unsere bisherigen Erlebnisse und Eindrücke vom Weg. Mit zunehmender Dauer kam da schon eine ganze Menge zusammen 🙂 Alex war 31 Jahre jung und arbeitete selbständig in einer Chirotherapie Praxis. Es war einfach Zeit für eine Pause sagte sie. Das war ihr Grund um hierher zu kommen. Ihrem Englisch konnte ich sehr gut folgen und so konnten wir uns lange und angeregt unterhalten bis die Sonne am Horizont verschwand. In dieser Höhe wurde es dann auch ruck zuck ziemlich kalt. Gegen 22 Uhr entschieden wir uns beide nach dem langen Tag ins Bett zu gehen. 

Tag 20: Hospital de Órbigo – Santa Catalina de Somoza

Nach dem, sagen wir mal außergewöhnlichem etwas spektakulärem Abend am Vortag, wollte ich an diesem Morgen unbedingt früh los…:-) Gestern hatte ich noch vergessen den Donativo für das Essen in den dafür bereitgestellten Korb zu legen. Daher holte ich dies heute Morgen schnell nach. Mit mir war noch eine Engländerin im Vorraum die ebenfalls schon auf den Beinen war. Auf geht’s dachte ich. Für alle Pilger die morgens früh los wollten gab es in den Herbergen immer eine Tür, die nach außen hin, quasi durchgängig zu öffnen war. So ging ich zum Tor durch das ich gestern gekommen war… abgeschlossen! Mmmhhh… Ich ging an dem Zaun entlang und entdeckte in einer Ecke am Ende des Gartens ein weiteres Tor… Mit dem Handylicht leuchtete ich mir den Weg dorthin über die vom Morgentau noch nasse Wiese. Das Tor ließ sich ebenfalls nicht öffnen…

Scheisse dachte ich. Was mach ich denn jetzt?! Die „Herbergsväter“ schliefen noch und ich wollte diese auch unter keinen Umständen wecken… Als ich mich umdrehte sah ich in der Herberge auch noch kein Licht… Ich dachte nach… Über den Maschendrahtzaun klettern war nicht drin, weil er einfach zu hoch war. Über dem Tor befanden sich Metallspitzen… Das würde in die Hose gehen, vor allem mit Rucksack. Mein Blick wanderte weiter am Zaun entlang. An dem Ort wo gestern die Zeremonie stattfand, entdeckte ich nahe des Zauns eine Palette mit Zementsäcken. Ab jetzt war klar, wie ich hier raus komme. Ich stieg auf die Palette, nahm meinen Rucksack ab und ließ diesen an der anderen Seite vorsichtig herabgleiten, kletterte über den Zaun und ließ mich ebenfalls fallen. Geschafft! Einfach nur weg von hier dachte ich.

Mit dem Handylicht ging es auf den Camino. Zuerst über Feldwege und später durch kleine Ortschaften führte mich der Weg an diesem Morgen. Nach dem Frühsport erwartete mich kurze später ein fantastischer Sonnenaufgang.

Ich nahm die alternative Route, wie im Wanderführer beschrieben und sah so einen wunderbaren Sonnenaufgang von einem Berg aus. Es fühlte sich nach der etwas speziellen Aktion heute Morgen wie eine Belohnung an. Weiter auf dem Weg zogen sich breite Feldwege durch die hügelige Landschaft, lockere Eichenwälder wechselten sich mit Getreidefeldern ab.

Etwas sonderbares Bild am Wegesrand auf dem Weg nach Astorga

Erst nach knapp vier Stunden machte ich den ersten richtigen Stopp in Astorga. Ich fühlte mich gut und hatte auch keine Schmerzen an diesem Tag. Die letzten Meter in das Zentrum der Stadt waren dann doch wieder eine Herausforderung, da Astorga auf einer Anhöhe erbaut wurde. Nicht zu übersehen war der Palast Gaudis. An dem Platz davor gönnte ich mir bei bestem Wetter im Außenbereich ein leckeres Frühstück.

Café con leche, Orangensaft und ein leckeres Käsebrötchen

Ich kann euch gar nicht beschreiben wie sehr ich mein Frühstück immer noch an jedem einzelnen Morgen genoss… 🙂

Palacio Gaudi in Astorga

Während ich da so saß, mir einige Notizen machte und mein Frühstück, trudelten Bea und Theresia in Astorga ein und machten ebenfalls eine Pause. Wir drei gingen dann das nächste Stück gemeinsam. Es war jetzt fast Mittag und die Sonne brannte uns mittlerweile ordentlich auf den Pelz. Was war ich doch froh meinen Sonnenhut aufsetzen zu können, nicht schön aber praktisch 🙂

schön in Reihe…

ein etwas außergewöhnlicher Vogel abseits der Reihe…

Gegen 14 Uhr erreichten wir sichtlich ausgetrocknet Santa Catalina de Somoza. Das urige Dorf zählte 50 Seelen. Bea traf hier eine Freundin von ihr wieder, die hier bereits auf sie gewartet hatte. Gabi hieß sie. Theresia und Bea wollten nur einen Stopp machen und noch weiterlaufen. Ich beschloss hier zu bleiben. Mir gefiel das beschauliche Dorf und außerdem reichten mir die heutigen 25 km völlig aus. Die Herberge, El Caminante wirkte auf mich sehr einladend.

Der Ortseingang von Santa Catalina de Somoza

Ich ließ meinen Rucksack vor der Herberge liegen und betrat das kleine Restaurant. An der Theke angekommen bestellte ich für uns alle kalte Getränke. Als ich für mich ein kühles Cerveza orderte, spielte sich ein kleines Schauspiel ab… Der Wirt ging um seine Theke herum und öffnete die Eistruhe. Er nahm einen eisgekühlten Bierkrug heraus, hielt diesen unter den Zapfhahn und füllte selbigen langsam und gekonnt auf. Dabei lief mir zusehends das Wasser im Mund zusammen. Hatte ich erwähnt, dass wir Santa Catalina sehr durstig erreichten?! 🙂 Gemeinsam genossen wir draußen im Schatten unsere kalten Getränke und plauderten noch etwas. Bea und Theresia brachen kurze Zeit später wieder auf und verließen das kleine Dorf wieder.

einfache aber saubere Herberge in Santa Catalina de Somoza

Nachdem die beiden wieder auf dem Weg waren, unterhielt mich weiter mit Gabi. Sie erzählte mir von ihrer ersten Ehe und ihrem neuen Mann. Wir tauschten uns über den Camino aus und was jeder von uns bisher so erlebt hatte. Nun wurde es aber auch langsam mal Zeit für eine Dusche dachte ich… Ich verschwand in der Herberge und verabschiedete mich kurz von Gabi. Als ich wieder nach draußen kam, war Gabi nicht mehr da. So ging ich ein paar Schritte durch das beschauliche Dorf. In der Sonne war es immer noch herrlich warm. Ein guter Zeitpunkt um einen Videoanruf mit meinen Nachbarn zu starten. Gesagt, getan. Selbst in der hinterletzten Pampas gab es LTE 🙂 Nach dem Anruf schaute ich mir das kleine Dorf noch etwas an und genoss die letzten Sonnenstrahlen. Tatsächlich gab es hier jedoch keinen Supermarkt um mich für den nächsten Tag mit Getränken zu versorgen.

Ich ging zurück zur Herberge und genehmigte zwei Sangria. Da mein Hunger nicht so groß war, bestellte ich mir einen gemischten Salat zum Abendessen. Ein paar Kätzchen die um mich rumschwirrten maunzten mich an. Ich schätze mal die hatten einfach Hunger. Nach dem Essen ging es dann auch bald ins Bett. Es war zwar erst kurz nach acht Uhr, aber so hatte ich die Gelegenheit meine Füße früher hoch zu legen und mein Körper hatte ausreichend Zeit sich zu „reparieren“.

Tag 19: León – Hospital de Órbigo

Wie schon in Burgos gestaltete sich der Weg aus dieser Großstadt für mich anfangs sagen wir etwas kompliziert… Auch diesmal lag meine gewählte Herberge nicht direkt am Weg. Mein Handy und der Laufweg der anderen Pilger halfen mir am frühen Morgen verdammt gut weiter. Zusätzlich musste ich sehr aufmerksam sein, doch auf dem „richtigen“ weg zu bleiben, da es ab bzw. bis nach León einen weiteren Jakobsweg bis nach Oviedo gab. Den sogenannten „Camino del Salvador“. Die Hinweise auf dem Boden lassen sich in der Dunkelheit leicht übersehen…

Die erste Kaffeepause genehmigte ich mir gegen 09:15 Uhr. Mir machten meine rechte Hüfte und mein rechtes Knie sehr zu schaffen an diesem Morgen, weil sie mir beim Laufen sauweh taten. Erklären konnte ich es mir nur durch die Dauerbelastung oder eine falsche Haltung, die ich unbewusst angenommen hatte. Da erst einige km hinter mir lagen, versuchte ich die Schmerzen so gut es ging auszublenden. Mein heutiges Tagesziel sollte Villavante werden. Das kleine Dorf lag knapp 29 km von León entfernt und so hatte ich zumindest vor noch eine ganze Weile unterwegs zu sein. Villavante ist im Reiseführer nicht als das klassisch Etappenziel gekennzeichnet. Ich wollte etwas raus aus den Pilgermassen, die sich doch fast immer an den im Buch vorgeschlagenen Orten halten. Mittlerweile traute ich mir öfter zu eher unkonventionell zu planen.

Als ich weiterging, griff ich zum Telefon und rief eine sehr gute Freundin in Bochum an. Wir unterhielten uns über den Weg, das bisher Geschehene und auch die Möglichkeit über Santiago hinaus bis ans Meer nach Finisterre zu gehen. Zeitlich würde das alles passen, da ich mir ja genug Urlaub genommen hatte. Ich machte ihr allerdings klar wie ich mich zurzeit fühlte und dass ich mir das in meiner momentanen Verfassung absolut nicht vorstellen könnte. Versprach ihr aber, den Gedanken noch etwas reifen zu lassen. Bis Santiago war ja noch etwas Zeit…

Sie hatte mit ihrer Argumentation natürlich völlig Recht, indem sie mich fragte wann ich wohl zum nächsten Mal die Gelegenheit nutzen würde, um von Santiago bis ans Meer zu wandern. Aber aktuell fühlte ich mich alles andere als wohl in meinem Körper. Nach dem Telefonat war es Zeit für eine weitere Pause. So gönnte ich mir zum Mittag ein Bier und legte die Füße auf einen Stuhl um etwas zu entspannen. Die Schmerzen in der Hüfte und dem Knie ließen etwas nach.

Wichtig zu wissen bei der Auswahl des Tagesziels

Ich ließ Villavante, mein eigentlich geplantes Tagesziel, hinter mir. Mich zog es, trotz der Schmerzen die ich hatte und immer noch teilweise verspürte weiter. Bis zum nächsten etwas größeren Ort, Hospital de Órbigo waren es nur noch knapp 6 Km. Die Wahl auf die heutige Herberge fiel durch ein Gespräch das ich morgens mit Isabella aus Neuseeland führte. Sie berichtet mir von der Unterkunft und gab mir den Tipp, da sie viel Gutes darüber gehört hatte. Es handelte sich ebenfalls um eine Herberge in der vegetarisches Essen angeboten wurde.

Kurz vor Hospital traf ich Isabella wieder und so erreichten wir die Unterkunft, sichtlich gezeichnet von der heutigen Etappe, nach gut 35 km gemeinsam. Es war ein sehr schönes Anwesen mit großem Garten, zwei Hunden und viel Platz zum Entspannen. Im Gegensatz zu Isabella hatte ich kein Bett reserviert. Mein Glück, was freie Betten anging blieb mir jedoch treu:-). Wieder war tatsächlich noch ein Platz frei als wir zwei uns an der Anmeldung befanden.

Ich bezog mein Bett, machte mich frisch und suchte mir im Garten einen Platz in der Sonne… Etwas später fiel mir ein, dass ich noch zum Supermarkt an der Ecke musste, um für den morgigen Tag gerüstet zu sein. Mit Obst, Wasser und zwei Dosen Bier ging es wieder zurück. Da ich auf dem Gelände sonst keine Pilger entdecken konnte die etwas alkoholisches in der Hand hatten, war ich mir erst nicht sicher ob dies hier überhaupt erwünscht war. Die anderen Pilger nickten zustimmend als ich sie mit dem Bier in der Hand fragte:-) Mit einem Zisch war die Dose auf und ich legte mich wieder in die Sonne. Beim Chillen im Garten lernte ich Bea aus der Schweiz und Theresia aus dem Allgäu kennen. Die beiden kannten bereits auch Jörg und Gerd, denen sie vor einigen Tagen auf dem Weg begegneten. Wir kamen in ein lockeres Gespräch und tauschten unsere bisherigen Erfahrungen aus, schließlich waren wir alle jetzt schon fast drei Wochen unterwegs.

Chillen im Garten der Herberge…

Auffällig war, dass in dieser Herberge fast ausschließlich deutsche Pilger eingekehrt waren. So ergaben sich im Garten viele Gespräche unter den Reisenden. Vor dem angekündigten Abendessen lernte ich noch Erika und eine Freundin von ihr kennen. Sie waren etwas älter, schätzungsweise um die 60. Ich erfuhr von Erika, dass ihre Freundin vor vier Jahren einen Herzinfarkt erlitten hatte und der Jakobsweg schon immer eines ihrer Ziele im Leben war. Sie war jedoch unsicher ob sie nach dem Infarkt noch diesen Strapazen gewachsen sei. Doch der Arzt gab ihr grünes Licht und nun konnten die beiden hier sein. Als wir auf unsere Familien zu sprechen kamen, erfuhr ich, dass Erikas Sohn ebenfalls psychisch krank war. Schon hatten wir ein Thema über das wir uns ausgiebig austauschen konnten. Die Freundin berichtete mir von einer Hellinger „Familienaufstellung“ mit der ich zu diesem Zeitpunkt überhaupt nichts anfangen konnte. Oftmals spielten Ahnen eine große Rolle bei Entwicklungen der zukünftigen Generationen. Häufig sind ungeklärte Verhältnisse in der Familie hierfür ausschlaggebend, so berichtete sie mir. Ich nahm mir vor mich mit dem Thema näher zu beschäftigen, wenn ich wieder zu Hause bin.

Der Nachmittag neigte sich dem Ende entgegen und damit wurde auch mein Hungerfühl spürbar größer… Vor dem geplanten Abendessen sprachen uns die Herbergsväter an und luden zu einer Zeremonie unter das neu gebaute Dach im Garten ein. Diese würde ca. 20 Minuten andauern. Neugierig von dem was uns erwarten würde, nahmen viele Pilger die Einladung an.

So saßen wir wenig später alle im Halbkreis versammelt. Ein kleines Feuer wurde angezündet. Der Sprecher begann mit einleitenden Worten auf Spanisch, die von einem Freund ins Englische übersetzt wurden. Nach den einleitenden Worten wurden plötzlich Atemübungen vollzogen, die mir doch etwas skurril vorkamen. Ich schaute Bea und Theresia an. Beide mussten sich sichtlich beherrschen, nicht in völliges Gelächter auszubrechen. Ich wollte dem Ganzen mit dem nötigen Respekt gegenübertreten, was mir allerdings mit zunehmender Dauer immer schwerer fiel.

Mein Blick streifte die Runde. Einige Pilger schlossen sich den Atemübungen an, andere schauten etwas verdutzt hinein. So wirklich verstanden hat den Zweck wohl niemand. Es wurde immer mal wieder gesprochen und teilweise auch gesungen, bevor wieder laut geamtet wurde… Aus den angekündigten 20 Minuten wurde eine geschlagene Stunde. Wir saßen während der Zeremonie alle auf kleinen Holzklötzen. Das machte die ganze Nummer zudem schwer zu ertragen. Noch bevor wir es hinter uns hatten, musste ich Mama denken, die garantiert nicht soviel Geduld aufgebracht hätte, in dieser Situation. Sie wär einfach aufgestanden und hätte gefragt: „Was soll der ganze Firlefanz hier? Ich hab Hunger, lasst uns endlich essen“.

Dann hatten wir es endlich hinter uns gebracht und es ging zum Abendessen. Vielleicht reicht mein Horizont einfach nicht für derartige Dinge aus… Aber ich war, dass ich meinen Popo von dem unbequemen Holzklotz erheben konnte… Durch die Zeremonie war es eigentlich schon viel zu spät um zu Essen, es war bereits kurz vor 21 Uhr. Ein Blick auf den reich gedeckten Tisch verriet mir jedoch, dass sich alle Köche und Helfer verdammt viel Mühe gegeben hatten. So setzte ich mich neben Bea und Theresia an den Tisch. Das Essen war grandios! Leider konnte ich nicht allzu viel davon genießen, da ich nicht mit vollgeschlagenem Bauch ins Bett gehen wollte. Wenig später lag ich im Bett.

Tag 18: Reliegos – León

Heute erwartete mich die größte Stadt auf dem gesamten Jakobsweg, es ging nach León. Die gesamte Etappe bis dorthin würde nicht allzu lang sein. Zur gewohnten Zeit zog es mich aus der Herberge und ich verließ das kleine Dorf Reliegos noch im Morgengrauen. Mein Frühstück nahm ich an diesem Morgen in Puente Villarente nach knapp 2 ½ Stunden zu mir. So langsam zeigte sich auch die Sonne und sorgte dafür, dass mir etwas wärmer wurde. Von Tag zu Tag war es morgens nun spürbar kühler. Mittlerweile hatten wir den 21. September. Obwohl die Temperaturen in den Morgenstunden empfindlich kühl wurden, startete ich immer noch jeden Tag mit kurzer Hose, dafür aber immer mit Fleece Pulli, um meinen Oberkörper warm zu halten. Ohne diesen würde ich mir morgens mittlerweile einen abfrieren. Puente Villarente lag 795 über NN.

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Nach dem ausgiebigen Frühstück traf ich Katrin und Jörg auf dem Weg wieder. Wir unterhielten uns beim Laufen lange über unsere jeweilige Arbeit und die Probleme und Schwierigkeiten die jeder Job so mit sich brachte. Irgendwann kamen wir dazu über den Sinn des Lebens zu philosophieren… Ich weiß heute beim besten Willen nicht mehr, wie wir damals darauf gekommen sind… Plötzlich waren wir einfach mittendrin im Thema…

Der Weg an sich war nicht besonders abwechslungsreich, es ging häufig an bzw. neben der Straße entlang.

Durch das tiefgründige Gespräch merkten wir drei gar nicht wie schnell die Zeit verging. Gemeinsam erreichten wir die große Stadt. Wie schon zuvor in Burgos dauerte es eine gefühlte Ewigkeit bis wir im Zentrum waren, in dem nicht zu übersehen, die wunderschöne Kathedrale auf uns wartete. Hier trafen wir auch Gerd wieder. Zu viert ließen wir uns direkt in einem Café am Vorplatz der Kathedrale nieder und erhoben unsere Gläser gemeinsam auf die heutige Etappe. Diese war zugegeben mit knapp 22 km nicht außergewöhnlich lang, aber uns steckten ja mittlerweile auch viele Tage in den Knochen und es tat gut mal eine entspanntere Etappe dazwischen zu haben.

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Im Gespräch erfuhr ich, dass sich alle drei in das Hostel in der Seitenstraße eingebucht hatten. Da ich noch keine Herberge für die heutige Nacht ausgesucht hatte, checkte ich dort für entspannte 13 Euro ebenfalls ein. Das Hostel lag nur einen Steinwurf von der Kathedrale entfernt. Nachdem wir uns alle frisch gemacht hatten, trafen wir uns am Vorplatz wieder. Ich war etwas schneller fertig als die anderen und nahm wieder in dem kleinen Café Platz, wo wir zuvor gesessen hatten und bestellte mir ein Glas Wasser und Wein, während ich auf den Rest der Gruppe wartete. Unnötig zu erwähnen, dass auch hier der Wein günstiger als das Wasser war 🙂

Gemeinsam ging es, ausgerüstet mit einem Audioguide in die Kathedrale. So erfuhren wir in interessanter Weise alles über die Geschichte dieses imposanten Bauwerks.

ein gotisches Meisterwerk, die Kathedrale von León

Nach der Besichtigung, die uns ca. eine Stunde durch alle Teile des Gebäudes führte, entschlossen wir uns gemeinsam Richtung Altstadt zu ziehen um eine Kleinigkeit zu essen. Nachdem wir so durch die Gassen schlenderten, fanden wir ein Restaurant, welches einen sehr schönen Innenhof besaß. Animiert von der Speisekarte bestellten wir uns alle jedoch mehr als die geplante Kleinigkeit.

Die Augen waren größer als der Magen…

Tja, was soll ich sagen… Aus der besagten Kleinigkeit ist gleich eine ganze Platte mit diversen Leckereien geworden…. Was wir völlig außer Acht gelassen hatten, war die Tatsache, dass unsere Mägen derartige Mengen an Essen gar nicht mehr aufnehmen konnten. Unsere Körper hatten sich perfekt auf die Strapazen und Bedingungen eingestellt, sodass es niemand auch nur im Ansatz schaffte, seine Platte leer zu bekommen. Uns blutete wirklich das Herz, als wir das Meiste zurückgehen lassen mussten.

Nach dem Essen zogen wir weiter durch die Altstadt von Leòn. So langsam erwachte hier nun das Treiben auf den Straßen, nachdem die Geschäfte geschlossen hatten und sich die Bars der Stadt mit Menschen füllten. An einem sehr schönen Platz tranken wir vier gemeinsam noch ein Glas Wein, bevor es für mich zurück ins Hostel ging. Diese Stadt ist definitiv eine Reise wert, heute bekam ich davon einen ersten Eindruck. Ich verabschiedete mich vorerst von den anderen, da Gerd, Jörg und Katrin noch einen weiteren Tag in León blieben.

Im Hostel angekommen schlief ich nach dem Zähneputzen wieder blitzschnell ein, wurde jedoch gegen zwei Uhr wach, weil plötzlich eine Bullenhitze in dem kleinen Raum war. Die Ursache war schnell gefunden, die Fenster ließen sich leider nicht öffnen. Shit happens. Nach einer nicht ganz so erholsamen Nacht, stand ich bereits um sechs Uhr auf und machte mich bereit für meine nächste Etappe. 

Tag 17: Sahagún – Reliegos

Sahagún war in den Morgenstunden schnell verlassen. Der Weg führte mich an einer sehr eintönigen Passage an der Straße entlang. Es war noch ziemlich dunkel, so nahm ich wieder mein Licht zur Hand. Nach gut 1 ¼ Stunden erreichte ich Calzada del Coto. Ab hier gab es wieder zwei Möglichkeiten die heutige Etappe anzugehen. In der Dunkelheit bekam ich davon jedoch nichts mit und realisierte dies erst viel später, als ich mal wieder einen Blick in das Buch riskierte..

Nach Frómista sah ich nun heute Morgen meine zweite überfahrene, ausgerechnet schwarze, Katze auf der Straße liegen. Dies sollte doch hoffentlich nichts bedeuten!? Ich nahm dies kurz zur Kenntnis und ging weiter. Gestern konnte ich noch einem Pilger dabei helfen den Weg zurück zu seiner Herberge zu finden, da der Akku seines Handys schlapp machte und er ziemlich verloren in den Straßen von Sahagún wirkte. Heute Morgen traf ich ihn zusammen mit Pablo aus Valencia wieder. Wir drei liefen ein gutes Stück zusammen und tauschten uns über unsere Erlebnisse vom Camino aus, ehe ich beide wieder verließ.

Abwechslung Fehlanzeige auf dem Weg nach Reliegos

Meine Füße taten mir beim Laufen heute durchweg weh, trotz eingelegter Pausen zwischendurch. Ich konnte meine Gedanken auch kaum von den Schmerzen ablenken, weil der vor mir liegende Weg so zermürbend war. Dennoch blieb mir dieser insgesamt im Nachhinein kaum in Erinnerung.

Mittlerweile ein seltenes Bild auf dem Weg

Es ging häufig an Landstraßen und auf schnurgeraden Wegen entlang. Die Schienen des Hochgeschwindigkeitszuges AVE immer im Blick, die parallel zum Weg einige hundert Meter verliefen. So ließ ich Kilometer für Kilometer hinter mir, kam durch einige kleinere Ortschaften und beschloss noch eine gute Stunde vor Reliegos eine Pause einzulegen, um abermals meine Füße von den Schuhen zu befreien.

Eine knappe Stunde später war mein Tagesziel nach 31 km endlich erreicht. Ich ließ die erste Herberge links liegen und folgte der Empfehlung von Google Maps die mich auf eine kleine Herberge namens „de Ada“ hinwies. Dort angekommen, hatte ich Glück da tatsächlich nur noch ein Bett frei war. Ich freute mich total, hier den Tag verbringen zu können. Pedro, der Besitzer der Herberge war auch gleichzeitig der Koch. Ich entschied mich beim Einchecken für das vegetarische Abendessen und war gespannt auf das was mich erwarten würde. Nachdem ich meinen Schlafplatz bezogen hatte, ging es sofort unter die Dusche. Mit einem kühlen Bier in der Hand machte ich mich auf das kleine Städtchen zu erkunden.

Reliegos war mit seinen knapp 230 Einwohnern recht schnell besichtigt… So suchte ich mir ein schattiges Plätzchen in einem kleinen Café. Wenig später musste ich natürlich noch in den Supermarkt um meine Wasserreserven für den morgigen Tag wieder aufzufüllen. Nachdem das erledigt war, schaute ich mir den süßen Garten meiner Herberge genauer an und entdeckte in der Ecke einen Golden Retriever auf dem Rasen liegen, der sichtlich den Schatten genoss. Pedro hatte den Hund vor einiger Zeit für seine am Down Syndrom erkrankte Tochter angeschafft. So erzählte er es mir später. Mir ging die Geschichte sehr nah. Er war ein sehr lebensfroher und positiver Mensch. Beim Erzählen musste ich aber daran denken wie belastend und anstrengend die Situation zuweilen sein musste. Soweit ich es einschätzen konnte, lebte er allein mit Ada hier.

Nach dem Gespräch ging ich raus in den Garten. Es war jetzt bereits später Nachmittag. Vor dem Abendessen wollte ich noch etwas meine Füße hoch legen. Ich suchte mir ein schattiges Plätzchen und legte mich auf die Wiese. Da ich wohl so k.o. war, schlief ich tatsächlich für eine gute halbe Stunde ein.

kleines Nachmittagsschläfchen im Schatten

Erzählungen zu Folge fand im Garten der Herberge ein kleines Schnarchkonzert statt 🙂

Um 19 Uhr gab es Abendessen und so machte ich mich rechtzeitig frisch. Wir saßen mit 14 Pilgern an dem langen Tisch im Essensraum. Unter allen Pilgern war ich der einzige Deutsche. Aurelien, ein junger Franzose saß neben mir. Wir unterhielten uns auf Englisch. Ich merkte jedoch, dass ich recht wenig von dem verstand was er sagte, sah es aber mit Humor, da wir eine Konversation beim Essen hatten. Pedro hatte als Vorspeise einen tollen Salat gezaubert und servierte als Hauptgericht eine Quiche mit Zucchini, Zwiebeln, Champignons und Käse. Zum Nachtisch gab es einfach einen Apfel 😊. Das Essen war vorzüglich. Nach dem köstlichen Mahl ging ich noch auf die Terrasse und traf dort auf Isabelle aus Neuseeland. Da sie mitbekommen hatte, dass ich der deutschen Sprache mächtig war, bat sie mich einen dieser Zettel, die auf dem Weg lagen für sie ins englische zu übersetzen. Nach der kurzen Unterhaltung ging es ins Bett.

Nachrichten auf dem Weg die immer wieder zum Nachdenken anregen